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„Lebenslinien“
Foto: Jan Pauls, Fotografie

Schwindelfrei

22. Februar 2018

Ensemble Ruhr und ANGELS Aerials in Essen – das Besondere 03/18

„Eine Prosa, die die Sprache hüpfen, tanzen und fliegen lässt“, so beschrieb Literaturnobelpreisträger Octavio Paz das Werk des argentinisch-französischen Schriftstellers und Intellektuellen Julio Cortázar. Dessen Text „Handlinien“ ist im wahrsten Wortsinn eine treffende Grundlage für die von Susanne Beschoner entwickelte Choreografie „Lebenslinien“ der Kölner ANGELS Aerials. Als Deutschlands einziges Flugtheater hüpfen, tanzen und fliegen auch die Angels, wenn sie ihre Mischung aus Akrobatik und Ballett in der Vertikalen absolvieren. Mal hängen sie dabei outdoor von einem Gebäude herab oder indoor von einer Decke, wie bei der Kooperation mit dem Ensemble Ruhr im Maschinenhaus.

Das Kammerorchester hat es sich seit seiner Gründung 2012 zur Aufgabe gemacht, auch Kinder und Jugendliche für klassische Musik zu begeistern. Dafür überschreiten sie mit ihren Projekten Grenzen hin zu anderen Kunstgattungen und verbinden so Epochen und Generationen miteinander. Konzertorte können klassische Säle oder die Scheune einer Biogasanlage sein. Kombiniert werden die Konzerte oftmals mit anderen Kunstformen wie Poetry Slam, Fotografie oder Lichtinstallationen. Für die „Lebenslinien“ kooperiert das Ensemble Ruhr, das traditionell ohne Dirigent aufspielt, mit den ebenso waghalsigen wie eleganten ANGELS Aerials. In Verbindung mit scheinbar schwereloser Akrobatik erschließt sich für das Publikum so ein neuartiges Seh- und Hörerlebnis.

Die Musik ist dabei keinesfalls nur Untermalung. Schostakowitschs „Kammersinfonie Op. 110 a“ ist abgesehen von seiner musikalischen Komplexität und Wucht im rasanten Mittelteil auch eine Komposition mit politischer Bedeutung. Der Komponist reflektiert hier eigene Erfahrungen in der Sowjetunion und liefert Regimekritik und eigenes Requiem zugleich. Unter der Leitung von Konzertmeister Stefan Hempel wird außerdem Mozarts „Adagio und Fuge“ und „Strings“ des zeitgenössischen Komponisten Andreas Berschoner vom Ensemble Ruhr gegeben, um den schwindelfreien PerformerInnen zwar kein Netz, aber einen passenden Klangteppich zu bereiten.

„Lebenslinien“ | Ensemble Ruhr & ANGELS Aerials | Do 22. & Fr 23.3. je 19.30 Uhr | Maschinenhaus Essen | www.ensembleruhr.de

Maxi Braun

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ICHBIN, 26.03.2018

Sport ist eben doch keine Kunst...

Das Kammerorchester ENSEMBLE RUHR hat für die Vorführung im Rheinischen Industriemuseum Köln während des Stück „Lebenslinien“ des Flugtheaters ANGELS AERIALS von mir ehrlichen und dankbaren Applaus erhalten.

Für die Darbietung des Flugtheaters selber konnte ich nicht applaudieren.
Und ich frage mich verzweifelt woran es liegt.
Habe ich keinen Kunstverstand? Bin ich ungebildet, unsensibel oder unflexibel?

Ich bin Vater von zwei Kindern. Bin ich zu alt, zu uncool, zu feige und zu konservativ geworden? Ich habe doch selbst eine Bewegungspädagogische und Künstlerische Ausbildung erhalten und viele Stücke des modernen Tanztheaters gesehen.
O.K. Das ist hier ist neu für mich und gab es als Kunstform bisher in dieser Form noch nicht.
Obgleich es Angels Aerials schon 10 Jahre geben soll.

Es gibt Kunstschwimmer, Kunstturner, Fahrradkünstler, Eiskunstläufer und jetzt auch Seilkünstler, vielleicht auch bald Fußballkünstler (Mist! - Gibt’s auch schon - habe ich soeben gegoogelt).

Ich liebe die Muse, die Kunst, den Humor und die Meditation. Ich liebe Klassische Musik.
Ich liebe die Kinder, ihre - und die Spontanität im Allgemeinen.

Das Leben ist wertvoll und man sollte es wahren und schützen. Zumindest sollte man es Kindern deutlich machen, wenn man sie zu solch einer Vorstellung einlädt. Wer seinen Hals wagt oder waghalsig ist, weil er aus leidenschaftlicher Passion oder Künstlerischer Hingabe dem Material oder der Technik vertraut, muss damit rechnen, dass er irgendwann enttäuscht wird.
Diese Enttäuschungen gab es bereits – zumindest für die Hinterbliebenen oder Zuschauer.
Ein Maler hingegen hat noch keinen Pinsel verschluckt und ist daran erstickt.
Es macht sicherlich Spaß am Seil zu hängen und sich gegen und mit der Schwerkraft zu bewegen.
Unseren Kindern macht es auch Spaß auf dem Trampolin zu springen und zu fliegen.
Jeder ist frei an Mauern gesichert oder ungesichert hinauf zu klettern – ob frei in der Natur oder in Kletterhallen mit Klettergriffen. Aber muss man aus solchen „Sportlern“ Tänzer machen und mit Ihnen eine Choreografie einstudieren!
Kann man hier von Poesie oder Ästhetik reden. Für mich war die Eröffnungsrede ("Hinweise") mit der gewünschten Offenheit und Freude letztlich eine leere Phrase.
Ich frage mich die ganze Zeit: Was war das und was sollte das? Habe ich den roten Faden verloren?
Aber so ist das mit der „Kunst“. Gebe ich ihr einen etablierten Namen (mit neuer Ausrichtung) oder hänge ich das Wort „Kunst“ oder „Poetisch“ dran, kann man darüber streiten und diskutieren und schon ist man im Gespräch.
Für mich kommt Kunst nicht von „können“, sondern von gelebter Spontanität - welche Schönheit ist oder von ihr inspiriert wird. Kunst ist natürlich und wurde von der Natur ursprünglich inspiriert. Schönheit entspringt nicht dem Intellekt. Die Quelle ist eine Spirituelle. Ich kann eine Geschichte erzählen um eine Botschaft zu transportieren, aber ist das Kunst. Die Motivation ist ausschlaggebend. Will ich mich darstellen oder will sich etwas offenbaren?
Kunst ist der Ausdruck oder der Eindruck eines Erlebnisses. Ein Kind sitzt am Bach, ist eins mit dem was es vollbringt und legt vorsichtig Steine übereinander. Es entsteht etwas. Kunst. Staunen. Erwachen. Echte Freude.
Nachdem man 20 Minuten stehend in einer kalten Werkshalle auf die Vorstellung warten musste war der Anfang und der Verlauf genauso langwierig wie das Warten. Es gab es kein Spannungsbogen. Es war ein Warten auf das Ende. Auch hatten die Seilartisten nicht gerade viel Körperspannung oder Körperausdruck. Der Bogen war für mich die ganze Zeit zu wenig gespannt – bei den Artisten und in der Choreografie. Lediglich das Kammerorchester hat mich geweckt und erfrischt. Hier waren die Bögen gespannt. Hier war Präsenz.

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