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„Cabaret“
Foto: Pedro Malinowski

Sexuell befreit

31. Oktober 2013

„Cabaret“ in Gelsenkirchen – Theater Ruhr 11/13

Die „Roaring Twenties“, die rauschhaft ausschweifenden 20er Jahre, sind ein Thema, an dem ihr Herz hängt. Erstmals konnte sich das Publikum vor gut einem Jahr bei den „Comedian Harmonists“ davon überzeugen. Regisseurin Sandra Wissmann gab mit ihnen einen Musical-Einstand am Gelsenkirchener Musiktheater, der sich gewaschen hatte. Monatelang waren die Vorstellungen ausverkauft. Zur Eröffnung der aktuellen Saison knüpft sie nun nahtlos mit dem Musical „Cabaret“ an. Für ihre Inszenierung verwandelt Wissmann das Kleine Haus des Theaters in den verruchten „Kit-Kat-Klub“ des Berlins von 1929. Das Publikum sitzt im Parkett an kleinen Tischen wie in einem Revue-Theater. Bespielt wird indes der gesamte Raum.

Die Regisseurin und ihr Choreograph Seân Stephens orientieren sich erkennbar an der berühmten Musical-Verfilmung von 1972, allerdings haben sie das gesamte Stück auch spürbar von jener sexuellen Verschämtheit entrümpelt, die in den 60er und 70er Jahren noch für einen breiten Erfolg unabdingbar war, und die sich bis heute auf vielen Bühnen hält. Heraus kam eine durchaus deftige Fassung, vor allem, was die teils sehr expliziten Choreographien angeht. Aber auch die Handlung wurde von den gewohnten Verklemmtheiten befreit und kehrt nun sowohl die schwulen Seiten des Helden Clifford hervor als auch die promiskuitive Flatterhaftigkeit seiner Geliebten Sally. Einziges Manko: Die aufziehende Bedrohung der lasterhaften Dauerparty durch die erstarkenden Nazis vermag Wissmann szenisch nicht so recht zu transportieren. So bleibt es bei der biederen vaterländischen Musik, die sich langsam einschleicht ins Stück, bis dann auch die ersten Hakenkreuz-Armbinden auf der Bühne zu sehen sind.

Für Tenor Mark Murphy ist der schrille Conférencier – halbnackt in Strumpfhaltern und Chemisette – eine echte Paraderolle. Dass Murphy eigentlich aus dem Opernfach stammt, ist nicht spürbar. Auch Christa Platzer und Joachim Maaß fügen sich als ältliches Liebespaar nahtlos in eine ganze Reihe exzellenter junger Gäste aus dem Musicalfach ein. Allen voran glänzen Judith Jakob (Sally) und Alen Hodzovic (Cliff) mit starken Stimmen und agilem Schauspiel. Die frisch aufspielende kleine Band wird von Wolfgang Wilger geleitet. So frech und temporeich ist der Broadway-Klassiker selten zu sehen.

„Cabaret“ I Fr 1.11. 18 Uhr I MiR, Gelsenkirchen I 0209 409 72 00

KARSTEN MARK

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