Theseus will Hippolyta. Demetrius will Hermia. Lysander will das auch. Bleibt noch Helena, die läuft Demetrius hinterher. Doch der will sie partout nicht. Und Elfenkönig Oberon? Der hat zwar seine Titania, doch hätte er noch gerne einen Lustknaben dazu. Dekadent? Nein Shakespeares Sommernachtstraum. Die Geschichte der unendlichen Verstrickung in einer Nacht im Wald hat Christina Paulhofer auf der großen Bochumer Bühne inszeniert. Irgendwie als Gesellschaftsposse, irgendwie teilmodernisiert, irgendwie auch ohne Rock’n’Roll, eher mit der Beatles-Klampfe.
Die Figuren scheinen vorsätzlich fade, Hippolyta und Titania (beide Katharina Linder) haben die wilden Jahre wohl schon hinter sich, die eine mit neureicher Attitüde, die Elfenkönigin versucht das Alter mit jungen Eleven zu verschrecken. Sie zelebrieren etwas steif den Modern Dance im Moderwald, zumindest so lange bis Oberon zu seinem Schnüffelklebstoff aus der Plastiktüte greift, um sich die Gattin gefügig zu machen. Danach hechelt Titania dem Esel hinterher, der einst Banker war und nun mit Pleitegeier-Kumpels eine Theatertruppe gründen will, um unerkannt der Schande zu entgehen. Bei soviel Zeitgeist bleibt der Mythos natürlich auf der Strecke, nur Günter Alt als Punk-Puck mit Sesamstraßen--Shirt wird ihm gerecht. Ansonsten muss die Inszenierung lange Wege gehen, um an den psychedelischen Strawberry Fields zu landen, die Gesellschaft und ihr Umgang miteinander ist eher roh und kaum an Liebesdingen interessiert. Es geht um das Eine, aber auch das Andere, die schnöde Macht über Menschen und die Drogen, die man dafür einsetzen kann.
Paulhofer treibt dem Stück so die Unschuld aus, ein Vorgang, den Lysander bei Hermia nicht schafft, auch nicht mit der bereits erwähnten Klampfe und dem Übungsstück „Across the Universe“. Nein, Nothing's gonna change his world, obwohl – am Ende kriegt er seine Angebetete ja doch, wenn diese auch Zweifel hegt. Wie alle. Irgendwas ist in der Nacht zerbrochen. Auch die Banker versauen ihren großen Auftritt. Aber das ist ja nicht gerade realitätsfern. Muss wohl am Klebstoff gelegen haben.
„Ein Sommernachtstraum“| Fr 6.6. 19.30 Uhr | Schauspielhaus Bochum | 0234 33 33 55 55
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