Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.582 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Foto: Andreas Etter

Gaga goes Recklinghausen

01. Mai 2023

„Soul Chain“ bei den Ruhrfestspielen – Tanz an der Ruhr 05/23

Gefühle, gar Liebe sind nur schwer zu erkennen in dieser Choreografie, in der Sharon Eyal die 17 Tänzer:innen wie animalische, konformistische, maschinelle, ja fast dressierte Primaten trippeln lässt. Dabei kreierte die israelische Choreografin „Soul Chain“ für tanzmainz als Auftragswerk über Liebe, Sehnsucht und Einsamkeit. Nun gastiert ihr 50-minütiges Stück aus Ballett und Elektromusik auch bei den diesjährigen Ruhrfestspielen.

Gerade an der kraftvollen Körperlichkeit von Eyals Choreografien lässt sich bereits erkennen, wo die in Jerusalem geborene Künstlerin ihr Tanzhandwerk lernte und ihre ersten Bühnenarbeiten schuf: beim berühmten israelischen Tänzer und Choreografen Ohad Naharin, der 1990 die kreative Leitung der Batsheva Dance Company übernahm. Dort entwickelte er mit dem Ensemble eine Bewegungssprache und Lehrmethode, die unter dem Begriff „Gaga“ reüssierte – so erfolgreich, dass Naharin auch unter dem Namen Mr. Gaga firmiert.

Es wäre jedoch falsch und unfair, Eyal als bloße Gaga-Epigonin zu verklären. Schließlich gründete sie 2013 mit ihrem langjährigen künstlerischen Partner Gai Behar ihr eigenes Ensemble L-E-V (lev steht im Hebräischen für Herz). Mit über 200 Vorstellungen gastierten sie seitdem auf der Welt – vom Joyce Theatre New York City bis zur Ruhrtriennale. Unverkennbar ist auch, dass Eyal ihren Choreografien einen eigenen ästhetischen Stempel aufdrückte, der sich von Naharins expressiver Gaga-Schule abgrenzt, die stark entlang der Kitschklippe schrammt.

Ein Faktor dafür ist unter anderem die elektronische Musik des israelischen Komponisten Ori Lichtik, der das kreative Dreieck von L-E-V komplettiert. Denn es sind seine technoähnlichen Beats, zu der auch in „Soul Chain“ die Tänzer:innen in hautfarbenen Body-Suits und im rhythmischen Gleichklang stampfen, so präzise und repetitiv, dass sie wie eine amorphe Körpercollage erscheinen. Wären da nicht die eruptiven und kraftvollen Ausbrüche, mit der sich einzelne Tänzer:innen während der Choreografie aus der Kette reißen. Eyal akzentuiert damit das Heraustreten aus dem Gleichen, welches erst die Unterschiede erkennbar macht: nicht zuletzt in der Einsamkeit, Sehnsucht oder der Liebe.

Soul Chain | C: Sharon Eyal | 13.5. 20 Uhr | Ruhrfestspielhaus | 02361 91 84 01

Benjamin Trilling

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Krieg und Identität
„Kim“ auf PACT Zollverein in Essen – Tanz an der Ruhr 11/24

Im Kreisrund sind alle gleich
4. Ausgabe des Festivals Zeit für Zirkus – Tanz in NRW 11/24

Liebe ist immer für alle da
„Same Love“ am Theater Gütersloh – Prolog 11/24

War das ein Abschied?
Sônia Motas „Kein Ende“ in den Kölner Ehrenfeldstudios – Tanz in NRW 10/24

Torero und Testosteron
„Carmen“ am Aalto-Theater in Essen – Tanz an der Ruhr 10/24

Supergau?
Die TanzFaktur steht wieder einmal vor dem Aus – Tanz in NRW 09/24

Jenseits von Stereotypen
„We Love 2 Raqs“ in Dortmund – Tanz an der Ruhr 09/24

Kaffee, Kuchen, Stacheldraht
12. Tanz.Tausch Festival in der Kölner TanzFaktur – Tanz in NRW 08/24

Gegenwart einer Gegenkultur
„Pump Into The Future Ball“ in der Jahrhunderthalle Bochum – Tanz an der Ruhr 08/24

Wunderbar: alles ohne Plan
„Leise schäumt das Jetzt“ in der Alten Feuerwache – Tanz in NRW 07/24

Körperpolitik und Ekstase
„Tarab“ auf PACT Zollverein – Tanz an der Ruhr 07/24

Vor der Selbstverzwergung
Ausstellung zu den „Goldenen Jahren“ des Tanzes in Köln – Tanz in NRW 06/24

Bühne.

Hier erscheint die Aufforderung!