Die Symbiose zwischen Popmusik und den bewegten Bildern war wohl mit am schillerndsten und eindrucksvollsten in der goldenen Ära der Musikvideos, als es in den 1980er und 90er Jahren noch klassisches Musikfernsehen im 4:3-Format gab und Hollywood Regisseure wie John Landis Maßstäbe und Musikvideo-Kurzfilme schufen, wie Michael Jacksons Teen-Horrorklamotte „Thriller“, die 1983 einen kleinen Meilenstein markierte. Doch die Symbiose zwischen Musik und Film beginnt schon spätestens 1927, als „The Jazz Singer“ dem in den Kinderschuhen steckenden Tonfilm zu seinem kommerziellen Durchbruch verhalf und dem bis dato stummfilmgewohnten Publikum erstmals synchronen Gesang auf Nadelton präsentierte.
Seitdem hat sich der Musikfilm in unterschiedlichste dokumentarische und szenische Genres ausdifferenziert und ist schon lange selbst Teil der Filmgeschichte. Während Heinz Erhardt im Schlagerfilm der Nachkriegszeit davon singt, Korn zu trinken, sobald er traurig ist, tanzt Elvis Presley in den USA den „Jailhouse Rock“ über die Leinwand und die Beatles rennen durch London, um Züge zu erwischen. Doch der Musikfilm kann auch Biopic sein, indem er Teile des bewegenden Lebens einzelner Musiker inszeniert, wie die Anfänge eines John Lennons in „Nowhere Boy“ oder wie „Control“, der den Aufstieg der britischen Post-Punkband Joy Divison bis hin zum tragischen Selbstmord Ian Curtis’ inszeniert und damit einem breiten Publikum Einblicke in die Musik- und Kulturgeschichte gibt.
Relativ neu hingegen ist der Trend, dass für die große Leinwand immer mehr Konzertfilme produziert werden, welche die Zuschauer näher an die Live Performance heranführen, als das bei einem Konzert möglich ist. Als Hybrid aus Konzertmitschnitt und dokumentarischen Szenen gewähren sie zugleich einen Einblick hinter die inszenierten Kulissen der Musikbranche, wenn auch dieser Blick immer ein gänzlich anderer ist als das emotionale Erlebnis der Live Performance im Schweißbad der Menschen zu vorpandemischen Zeiten. Ein gutes Beispiel dafür ist der aktuelle Konzertfilm über Englands Britpop-Höhepunkt Oasis und ihren Knebworth Konzerten 1996, der erst kürzlich in die Kinos kam.
Vielleicht ist der Trend der Konzertfilme auch ein wenig der Wechselwirkung zwischen Kino und Videoplattformen um YouTube & Co. zu verdanken, denn der Konsum der fast 2 Milliarden Nutzer von YouTube zeigt auch, wie stark seit dem Tod des Musikfernsehens Musikvideos und Konzertmitschnitte geklickt werden. So tut das Kino sicherlich gut daran, sich auch auf diese Nachfrage stärker zu fokussieren.
Ein wunderbares Beispiel dafür bietet im Oktober die Musikdokumentation „The Sparks Brothers“ von „Shaun of the Dead“-Regisseur Edgar Wright, die mit einem Mix aus klassischen Talking Heads, Musikvideos und Live Performances auf erheiternd schräge Weise die Schaffensphase des Pop-Phänomens Sparks dokumentiert. Ein Film, der nicht nur die Band und ihre musikalische Odyssee seit dem Ende der 1960er Jahren einfängt, sondern zugleich ein Abbild der Popmusik der vergangenen 50 Jahre ist, in der die Brüder Ron und Russel Mael aktiv sind.
Als musikalisches Chamäleon hat das Duo vom Glam Rock über Disco, Wave, Synthie Pop, Techno, Musical und Operette nur wenige Musikstile ausgelassen und man fragt sich nicht selten, ob das noch Popmusik ist oder schon der Beginn einer Kunstperformance.
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