Die Postmoderne ist ein umstrittener Begriff: „Anything goes“, Dekonstruktion und Werte-Relativismus – vielen Kritikern war das entweder zu feige, zu einfach oder schlichtweg verschwurbelt und nicht zielführend. Umberto Eco meint gar, die Postmoderne sei kein Begriff für unsere Zeit, sie sei ein typisches Übergangsphänomen zwischen Epochen, das Finden einer neuen Ordnung im Chaos. Doch die Unübersichtlichkeit verschwindet nicht, im Gegenteil: Sie bleibt die Seele unserer Zeit. Gutes Theater leugnet das nicht und behauptet auch gar nicht, Ordnung in dieses ästhetische, moralische Wirrwarr bringen zu können. Was Theater auf der Höhe dieser unordentlichen Zeit aber kann, zeigt sich vom 15. bis zum 25. Juni in Düsseldorf, Köln und Mülheim, beim Impulse-Festival.
„Start cooking …Recipe will follow“, lautet das passende Motto des Festivals, das dieses Jahr mit neun Inszenierungen, Diskussionsrunden, Hörspiel und weiteren Veranstaltungen das Chaos erkunden will. Den Anfang machen Monika Gintersdorfer und Knut Klaßen mit „Der Botschafter“, auf die Bühne gebracht von einem Ensemble deutscher und ivorischer Schauspieler. Es geht um unseren Blick auf Afrika, um postkoloniale Machtgefälle und um zwei deutsche Botschafter, die unterschiedlicher kaum seien könnten. Von der handfesten Ausbeutung in den ehemaligen Kolonien geht es zur kulturellen Ausbeutung: In „Situation mit Doppelgänger“ inszenieren Julian Warner und Oliver Zahn die Aneignung – oder den Diebstahl? – schwarzer Kultur, angefangen bei den Ministral-Shows des 19. Jahrhunderts bis zum twerkenden, weißen Hintern von Miley Cyrus.
Endlich wieder Krieg
Anders als manch andere kulturelle Großveranstaltung glaubt Impulse – ein Glück für den Theaterfreund! – eben nicht, dass man das Modethema Flüchtlingskrise ganz weit oben auf die Agenda setzen muss (darüber wurde sowieso schon alles von italienischen Regisseuren erzählt, damals, als uns im feinen Norden noch nicht juckte, wer da weit im Süden ersoff). Nur ein Stück, „Evros Walk Water“, gibt sich diesem Thema hin – dafür aber von Rimini-Protokoll-Regisseur Daniel Wetzel. Außerdem zu hören: Das preisgekrönte Hörspiel „Orpheus in der Oberwelt – Eine Schlepperoper“ des Künstlerkollektivs andcompany&Co. Die werden übrigens, wenn man im Nachhinein die Postmoderne als Epoche betrachten wird, sicher ein Paradebeispiel für das Theater unserer Zeit sein.
Krieg spielt natürlich auch eine Rolle beim Impulse-festival: Die Costa Compagnie holen mit ihrem dokumentarischen Stück „Conversion/ Nach Afghanistan“ das zerstörte Land auf die heimischen Bühnen. „untitled (look, look, come closer)“ von Christine Gaigg beschäftigen sich hingegen mit der medialen Verwandlung des Krieges, durch Nachrichten, Social-Media und IS-Propaganda. Apropos Propaganda: Boris Niktin widmet dem berühmten Antisemiten und Religionsstifter Martin Luther ein „Propagandastück“, oder besser: einen Gottesdienst für Atheisten. Außerdem. Das junge Theater Basel präsentiert sich mit „Noise“. She She Pop durchleben „50 Grades of Shame“, so der Titel ihrer „Frühlings Erwachen“-Hommage. Ariel Efrim Ashbel hingegen bringt die futuristische Zitat-, Sound-, Anything-Collage „The Empire Strikes Back: Kingdom of the Synthetic“ auf die Bühne.
Die oft beschworene Postmoderne – nur ein Modebegriff? Sieht nicht danach aus. Und selbst wenn: Dann bleiben immer noch zehn Tage innovatives Theater auf der Höhe der Zeit, egal welches Etikett man daran klebt.
Impulse Theater Festival 2016 | FFT Kammerspiele Düsseldorf (Festivalzentrum) und diverse Orte in Köln, Mülheim, Düsseldorf | Mi 15.6. bis Sa 25.6.| www.festivalimpulse.de
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