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Im Zauberwald: Schauspielerin Kyoko Takenaka spricht mit Sailor-Moon-Avatar
Foto: Philip Frowein

Leiden am Fremdideal

23. Juni 2022

Satoko Ichiharas „Madama Butterfly“ beim Impulse Theater Festival – Festival 06/22

Unzählige Male wurde diese Oper Puccinis bereits gespielt, in welcher der amerikanische Marineleutnant Pinkerton die japanische Geisha Cio-Cio-San, genannt Butterfly, heiratet. Dock kurz darauf bringt ein Kriegsschiff den Soldaten zurück in seine Heimat. Zuhause angekommen vermählt sich Pinkerton erneut – diesmal mit einer Landsfrau. Während Butterfly die Rückkehr ihres Geliebten herbeischmachtet.

In der berühmten Arie „Un bel dì vedremo“ drückt sie ihre Sehnsucht aus. Und dieses Stück erklingt auch an diesem Abend im Mülheimer Ringlokschuppen Ruhr – wenn auch vom Band. Zugleich erscheint ein großes, animiertes Porträt von Butterfly auf der Leinwand. Dieses Gesicht bleibt ein Diskursgegenstand in Satoko Ichiharas „Madama Butterfly“, in dem es auch um vorherrschende und aufgezwungene Schönheitsideale geht.

Westliche Normen

Ihre Inszenierung war außerhalb Japans zuerst im letzten Sommer in Zürich zu sehen und wurde nun als Gastspiel zum Impulse Festival eingeladen. Das Schicksal der verarmten und wegen ihrer Verstoßung durch Pinkerton von der Gesellschaft verachteten Butterfly dient ihrem „Rewrite“, so der Untertitel, als rudimentäres Gerüst, als Reibungsfläche, um den westlichen Blick der 1904 uraufgeführten Oper auf japanische Frauen zu hinterfragen.

So echauffiert sich die Schauspielerin Kyoko Takenaka über ihr Gesicht, das nicht den weißen Normen entspreche. Sie steht in einem Märchenwald, der an die Hinterwand projiziert ist und in welchem ihr Avatare begegnen. Ihr erscheint zunächst Pinkertons Frau Kate, als blondes Sehnsuchtsideal. Es folgen Sailor Moon, die Manga-Figur, schließlich auch ein portugiesischer Missionar, der einst zur Christianisierung Japans beizutragen versuchte.

Bühnen-Exkurs

Denn Ichihara rollt in ihrer Inszenierung viele Kapitel der japanischen Geschichte und Kultur dramaturgisch auf, etwa anhand des Begriffs Ha-Fu, der auf einen nicht-japanischen Elternteil eines Kindes verweist. Ein solches Ha-Fu-Baby will auch Butterfly zeugen – auch um den eigenen Minderwertigkeitskomplex zu überwinden. Und zwar mit einem Gaijin, einem Fremden. Diesen spielt die Schauspielerin Sascha Ö. Soydan als eine Pinkerton-Variation in weißer Navi-Uniform.

Die anschließende Begattung soll die Leiden am Fremdideal lindern. Bevor es zum aus Puccinis Original bekannten Selbstmord Butterflys kommt, unterbricht Ichihara die rudimentäre Handlung zugunsten eines Theaterexkurses, in dem die Darstellenden kurz aus den Rollen fallen, um über Identität und Rollenverteilung auf der Bühne zu streiten. So entpuppt sich dieser Abend als schrille wie wilde Auseinandersetzung mit Schönheitsidealen und Identitätskonstrukten.

Benjamin Trilling

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