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Noch hinter der Projektionsfläche versteckt: John le Posa (Martin Hohner)
Foto: Dominik Lenze

Überwachte Freiheit

28. April 2016

„Poser (sic!)“ in Dortmund – Theater Ruhr 05/16

147 Beobachtungsobjekte, versammelt im Theater im Depot. Bedrohungslevel: Manageable. Noch. Dann betritt John le Posa (Martin Hohner), Nachfahre des berühmten Posers aus dem Aufklärungs-Kitsch Don Carlos. Auch der wünscht sich Gedankenfreiheit in Zeiten von NSA und Post-Demokratie – bloß ist die nicht mehr so leicht zu vergeben wie im 17. Jahrhundert durch den Federstreich von königlicher Hand.

Die Überforderung des Zuschauers gehört bei Sir Gabriel Dellmann zum Programm: Sinnlich durch das rasante Tempo, intellektuell durch die Fülle an Zitaten von A wie Aufklärung bis Z wie Zizek. Dellmann wollen wach rütteln – der Clou ist, dass das Ensemble es immer wieder schafft, daraus eine atemberaubende gedankliche Achterbahnfahrt zu machen. Das wurde schon in der großartigen Überwachungs-Inszenierung „The Great Democracy Show“ deutlich, wie auch in dem Nachfolger „Wohin des Weges – Volksvertreter?“, einer Analyse von Demokratie-Ermüdung in Echtzeit. „Poser“ vollendet diese Trilogie: Nun befragt sich das Ensemble selbst: Wohin? Wozu das alles?

Inzwischen sucht John gar nicht mehr die zu oft beschworene Freiheit, von der Philosophen und andere Erbsenzähler der Sprache erst wissen wollen, was sie denn genau sei: John reicht ein Ausweg. Vielleicht die „Greencard-Literatur“? Doch er will sich nicht hinter Kunst verstecken, nicht hinter Zitaten – genauso wenig wie hinter der Projektionsfläche für die Video-Sequenzen, die, wie um dies zu verdeutlichen, das Bühnenbild lange verdeckt. Oder lieber die Interzone, sprich: die Flucht in den Rausch? Doch der „Work hard – play hard“-Hedonismus ist ein SM-Studio. Die Ketten, die Matthias Hecht am nackten Körper trägt, sehen sexy aus, bleiben aber Ketten. Den geheimen Hinweis überreicht John schließlich seiner Partnerin (Aischa-Lina Löbbert). Wir erfahren nicht, was es ist. Nur, dass es trotzdem kein Problem ist, John per Knopfdruck abzustellen. Dellmanns „Poser“ ist postmodernes Polit-Theater in Bestform – so facettenreich in all seinen Verweisen, dass man es trotz Überforderung gleich zweimal sehen möchte. Die nächste Gelegenheit ist die offizielle Premiere beim Favoriten-Festival.

„Poser (sic!) – Gebt Gedankenfreiheit!“ | R: Sir Gabriel Dellmann | Mi 28.9.(P) 20 Uhr | Theater im Depot, Dortmund | 0231 18 999 444

Dominik Lenze

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