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Rüdiger Schmidt-Sodingen

Wenn kein Geschäft mehr sein darf

28. Dezember 2022

Die Stadt Mainz führt die Kinorettung ad absurdum – Vorspann 01/23

Der Streit um das Mainzer Palatin-Kino zeigt, wohin die Reise für einige Arthouses und mittelständische Kinobetreiber:innen in den nächsten Jahren gehen könnte: Das 1952 eröffnete Kino an der Hinteren Bleiche 6-8, das 1981 ein 4er-Center wurde, ist seit 2009 für sein Arthouse-Programm bekannt. Nun aber soll das Theater einem Neubau weichen. Ein „Mainzer Familienunternehmen“, so die Stadtverwaltung besänftigend, möchte am Palatin-Standort ein neues Wohn- und Geschäftshaus errichten. Der Plan der Stadt ist nun folgender: Man will nicht das Kino und dessen Betreiber Eduard Zeiler und Jochen Seehuber retten, sondern in dem Neubau ein neues Kino etablieren. Dazu will die Stadt für 20 Jahre mehrere Räume mieten.

Die Bau- und Kulturdezernentin Marianne Grosse (SPD) möchte in einem Bewerberverfahren dann nach geeigneten Betreiber:innen Ausschau halten. Dabei, so Grosse laut FAZ, „komme es sehr auf das vorgelegte Konzept an. Schließlich könne es sich die Stadt aus rechtlichen Gründen nicht erlauben, aktiv in den Markt einzugreifen und etwa einen gewerblichen Kinobetreiber finanziell zu unterstützen“.

Diese Worte muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Offensichtlich gilt der halbwegs erfolgreiche Betrieb eines Filmkunstkinos als nicht gewollt oder gar förderungswürdig. Das ist eine Bankrotterklärung städtischer Kulturpolitik. Wenn jemand über Jahre oder Jahrzehnte das Bewusstsein für Filme und Filmkultur gefördert hat, dann ja wohl die mittelständischen und gewerblichen Betreiber:innen.

Einer solchen Betreibergesellschaft nun ein historisch gewachsenes Kino mit vier Sälen wegzunehmen, um es abzureißen, dann neu zu mieten und für einen nicht an Gewinn interessierten Betrieb auszuschreiben, verkennt, wie Menschen zum Kino und dessen Bedeutung finden. Sicherlich brauchen wir Räume, die Filme im Sinne einer kommunalen Filmarbeit vorstellen und kuratieren, Festivals und Experimente ermöglichen. Aber das alles kann nicht davon ablenken, dass gute Filme Erfolgswochen brauchen. Publikumsschlangen. Volle Häuser. Ein gutes Marketing. Plus in der Kasse.

Nur so fanden und finden Filme ins Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit. Erst dann ist Kino relevant. Wenn Städte Kinobauten aus der Glanzzeit „familiär“ abreißen lassen, müssen sie wissen, dass sie damit geschichtliche Orte zerstören. Geschichte weg. Geschäft weg. Stattdessen Subventionstopf und -tropf in vermeintlich modernen Räumen. Einer solchen Politik wird die dringend benötigte Wiederbelebung der Innenstädte nicht gelingen.

Rüdiger Schmidt-Sodingen

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