Der unbekannte Nachwuchskomiker Rupert Pupkin zwängt sich ins Auto des Late-Night-Stars Jerry Langford, denn er will unbedingt berühmt werden. „Wissen Sie“, sagt Langford zu seinem ungestümen Fan und späteren Entführer, „man kann nicht einfach so in eine große TV-Show spazieren. Man muss unten anfangen.“ „Aber ich bin ja unten…“, entgegnet Pupkin. Langford kontert trocken: „Das ist der perfekte Ort, um anzufangen.“ Martin Scorseses Drama „The King of Comedy“ mit Robert De Niro und Jerry Lewis lief vor genau vier Jahrzehnten in den Kinos – und wurde kaum vom Publikum beachtet. Ich erinnere mich noch, wie ich als Junge mit meiner Mutter und meiner Schwester im Düsseldorfer Lichtburg-Studio saß, weil ich mir einen normalen Jerry-Lewis-Film mit vielen Slapstick-Einlagen erhofft hatte.
Die Kritiker priesen den Film, was vor allem Lewis verstörte, dessen letzte Werke „Alles in Handarbeit“ und „Immer auf die Kleinen“ in den USA heftig verrissen worden waren. Dass sich „The King of Comedy“ über die Jahrzehnte zu einem Klassiker mauserte, liegt nicht nur an Todd Phillips‘ „Joker“, der sich Scorseses Film als Inspiration nahm. Es liegt auch daran, wie umfangreich und überaus komplex der Film besprochen wurde. US-Starkritiker Roger Ebert hasste den Film beim ersten Ansehen. „Dann drei oder vier Wochen später sah ich ihn mir nochmal an – und plötzlich faszinierte er mich. Er ist absolut kalt und zynisch, aber er gefällt mir mit jedem Ansehen mehr.“
„The King of Comedy“ ist ein perfektes Beispiel dafür, wie sich ein Film eben durch die Besprechungen und auch verschiedenen Einschätzungen zu einem Phänomen entwickeln kann. Angesichts der unglaublichen Reaktionen, Beschimpfungen und sogar tätlichen Angriffe, denen professionelle Kritiker:innen in diesen Tagen ausgesetzt sind, muss man das einmal festhalten. Bei „The King of Comedy“ ist es sogar so, dass ein Kritiker von Newsweek den Film anschob, weil er Robert De Niro 1976 das Script gab. Was beweist, dass eine Kritikerin oder ein Kritiker sehr wohl Teil des Publikums ist. Wer einmal zu einem Film oder einem Stück aus der Vergangenheit geforscht hat, weiß, wie wichtig Kritiken sind, um zeitgenössische Einschätzungen, die natürlich auch Fehleinschätzungen sein können, zu erfahren, die über ein „Toll!“, „Mist!“ oder das Drücken des „Teilen“-Icons hinausgehen. Kritiken sind es, die Kultur lebendig machen und halten, weil sie gezielt das aufzeichnen, was eine Person als stellvertretendes Publikum erlebt hat, im Kontext der Zeit und der bisherigen Erfahrungen.
Martin Scorsese, Robert De Niro und Jerry Lewis trafen sich 2013 zum 30. Jubiläum beim Tribeca Film Festival wieder. In bester Laune – denn der Flop des Films ist vergessen, seine Bedeutung heute größer denn je. Die zugeschaltete Sandra Bernhard konstatierte, der Film habe die skrupellose Sucht nach Ruhm und Mediengeilheit vorhersagt, die dann aber noch viel schlimmer kam. „Schauen Sie sich die Welt heute mal an. Es ist eine einzige große Shit-Show.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
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