„Wann nimmst du mich endlich in den Arm?“, fragt der kleine Elton John sein erwachsenes Ich im metaphernreichen Biografie-Musical „Rocketman“. Die gleiche Frage, die er vor vielen Jahren seinem Vater gestellt hat. Der bleibt ihm die Umarmung für immer schuldig. Es sollten viele Jahre vergehen, bis Elton seine Umarmung bekommt, bis er die Liebe bekommt, nach der er sich gesehnt hat – von sich selbst. Dieser Moment der Selbstliebe ist eine Schlüsselszene im Film. Erst als der Musiker sich selbst so akzeptiert, wie er ist, findet er aus seinem Tief heraus und marschiert „I’m still standin’ better than I ever did“ singend aus der Entzugsklinik.
Wir können den Film so interpretieren, dass ein Mensch eine schöne Kindheit braucht, um glücklich zu werden. Andersrum können wir uns aber auch fragen: Wäre Elton John einer der erfolgreichsten Musiker überhaupt geworden, wenn er eine glückliche Kindheit gehabt hätte? Steckt nicht in vielen Künstlern ein starkes Geltungsbedürfnis, der Wunsch nach Anerkennung? Ist das nicht die Triebfeder hinter Werken wie Elton Johns „Sorry Seems to Be the Hardest Word“ oder Mozarts erster Oper, die er mit elf Jahren komponierte, wahrscheinlich mit Vater Leopolds strengem Blick im Nacken? Bevor es hier zu sehr in Freud’sche Psychoanalyse geht, sollten wir fragen, was Kindesglück überhaupt ist.
Viele wissen bloß, was unglücklich macht
Das deutsche Recht kennt den Begriff Kindeswohl, hat dafür aber keine eindeutige Definition und nähert sich ihm ex negativo über den Umstand der Kindeswohlgefährdung. Das ist typisch: Was uns glücklich macht, wissen die wenigsten – bloß, was uns unglücklich macht. Für Kinder, so heißt es, seien Betreuung, Erziehung und Förderung sowie kontinuierliche Bindung wichtig. Besonders bei der Förderung wird es im Detail knifflig.
Wenn man „Rocketman“ glauben darf, dann hat Elton John es ohne viel elterliche Unterstützung zu Virtuosität und Erfolg gebracht. Bei Mozart spricht man auch gerne von einem Wunderkind, aber auch von seinem strengen Vater, der seinen Sohn an den Tasten erbarmungslos gedrillt haben soll. Wir wollen nicht alle rauschmittelsüchtige Musikstars großziehen, aber Musik ist ja schon ganz nett. Also ab in die musikalische Früherziehung. Aber mal ehrlich: Wer hat sich die Blockflöte ausgedacht, dieses Mittel zum Abgewöhnen alles Musikalischen? Soll man den Spross also direkt an die E-Gitarre setzen? Dann besteht eine große Chance, dass der Nachwuchs sich aus Trotz komplett von der Rockmusik abwendet und dem verbreiteten Irrglauben anhängt, Hiphop habe etwas mit Musik zu tun.
Selbstliebe lernen
Lässt man es mit der Förderung aber ganz sein, so wird der Nachwuchs irgendwann, spätestens ab Anfang zwanzig, sagen: „Ich finde es schade, dass ich als Kind nicht die Gelegenheit hatte, ein Instrument zu lernen. Also blieb ich unkreativ und ging BWL studieren.“ Mögliche weitere Konsequenzen: Midlife-Crisis, Motorradführerschein, Durchbrennen mit einer Jüngeren. Was das nur mit dem Kindeswohl der nächsten Generation anstellt!
Was für Musik gilt, gilt für jedes andere Hobby, egal ob Sport, Kreatives oder kognitive Beschäftigungen. Druck ist nicht gut, Ignoranz auch nicht. Wir wollen, dass unsere Kinder jetzt und im späteren Leben glücklich sind. Aber wir haben unsere eigenen Vorstellungen von Glück, die wir auf Kinder projizieren. Erwartungen sind so eine Sache. Kinder wollen von ihren Eltern geliebt werden, um ihrer selbst willen, und lernen, sich selbst zu lieben. Dann müssen sie das nicht erst in der Entzugsklinik lernen.
GLÜCKSVERSPRECHEN - Aktiv im Thema
migrapolis.de | Das Haus der Vielfalt in Bonn „nutzt und fördert die Potenziale unserer postmigrantischen Gesellschaft“ insbesondere durch Fortbildungs- und Beratungsangebote sowie Forschung.
integreater.de | In dem in Berlin ansässigen Verein „engagieren sich junge Menschen mit Migrationsgeschichte, um mit ihren Biografien Schülerinnen und Schüler zu empowern“.
idaev.de | Das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V. in Düsseldorf bietet unter anderem Bildungsangebote zum Umgang mit Rassismus und Diskriminierung an.
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