„Die Kinder wissen oft nicht, ob sie Hunger haben, ob ihnen kalt ist oder warm. Sie haben erfahren, dass es Ihnen besser geht, wenn sie es nicht wissen“, erzählt Mechthild Böll. Das betreffe vor allem Kinder, die in extremer Armut, in schwierigen Familienverhältnissen oder mit traumatischen Erlebnissen aufwüchsen.
Die Folge seien häufig Probleme in der Schule und im Sozialleben. Um Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu unterstützen, gründete Mechthild Böll vor sechs Jahren den Kölner Verein Fair.Stärken. „Es hat sich gezeigt, dass Gruppenarbeit mit Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten Lebenslagen über einen langen Zeitraum am effektivsten ist“, erklärt Böll das Konzept.
Vierzig Mitarbeiter, hauptsächlich erfahrene Pädagoginnen und Pädagogen, arbeiten wöchentlich mit rund 150 Kinder- und Jugendgruppen. „Wir sind viel in Turnhallen, damit wir Bewegung einbauen können“, erzählt Böll. Zum Kennenlernen stehe das gemeinsame Spielen im Vordergrund. „Die Teilnehmer überlegen dann, welche Regeln sie für das Spiel brauchen“. Das Regelwerk werde dann von allen Kindern unterschrieben. „Die Kinder haben Spaß, weil sie merken, dass sie sich selbst einbringen können.“
Bedürfnisse spüren und äußern
Ziel der Gruppenarbeit sei, dass die Kinder ihre Bedürfnisse wieder spüren und äußern könnten. Ein weiteres Ziel: Gewaltfreie Kommunikation. Wichtig seien kurze Reflektionseinheiten zwischen den Spielen und das Einüben von Kommunikationsregeln. Manchmal würden auch Eltern zu einzelnen Terminen eingeladen, denn oft hätten Eltern „selbst große Probleme, dass sie Unterstützung in der Erziehung ihrer Kinder benötigen“.
„Ist die Gruppe als Team zusammengewachsen, gestalten die Kinder ihre gemeinsame Freizeit selbstbestimmt“, erklärt Böll. Die Kinder können zwischen Sportarten wählen oder Ausflüge planen – beispielsweise in das vereinseigene Tipi-Zeltlager in der Eifel. Viele Kinder nähmen über Jahre an den Angeboten teil. „Durch die lange Begleitung der Kinder ist unser Verein ein Unikat“, glaubt Böll. Was die Pädagogen erleben: Viele Kinder sind ausgeglichener und knüpfen Freundschaften, das Schul- und Familienleben wird einfacher.
Wissenschaftliche Begleitung
Für eine wissenschaftliche Evaluation der Vereinsarbeit werde die Technische Hochschule Köln den Verein drei Jahre lang mit einem Forschungsprojekt begleiten und Instrumente zur Wirkungsmessung entwickeln, so Böll. Auch wenn die Arbeit mit den Kindern pädagogisch sei, gebe es ein multiprofessionelles Team aus Pädagogen, Psychologen und Heilerziehungspflegern, das sich wöchentlich bespricht. Bei traumatisierten Kindern seien etwa ein sanfter Umgang und das Vermeiden von retraumatisierenden Reizen wichtig.
Der Verein könne sich vor Anfragen kaum retten, erzählt Böll, die Kinder fänden durch Aushänge in Jugendheimen hierheu, über Empfehlungen von Eltern oder Schulsozialarbeitern. „Ich finde es wichtig, dass Kinder, die in Armut oder in schwierigen Lebenslagen aufwachsen, alle Chancen haben für ihr Leben. Kinder brauchen positive Highlights, um sich zu entfalten“, ist sie überzeugt.
Künftig will der Verein verstärkt Projekte zum Umwelt- und Klimaschutz entwickeln. Indem die Kinder aktiv würden, könnten sie sich auch hier als selbstwirksam erleben.
GLÜCKSVERSPRECHEN - Aktiv im Thema
migrapolis.de | Das Haus der Vielfalt in Bonn „nutzt und fördert die Potenziale unserer postmigrantischen Gesellschaft“ insbesondere durch Fortbildungs- und Beratungsangebote sowie Forschung.
integreater.de | In dem in Berlin ansässigen Verein „engagieren sich junge Menschen mit Migrationsgeschichte, um mit ihren Biografien Schülerinnen und Schüler zu empowern“.
idaev.de | Das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V. in Düsseldorf bietet unter anderem Bildungsangebote zum Umgang mit Rassismus und Diskriminierung an.
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