Oberhausen hat nicht die beste Presse – keineswegs als einzige Stadt der Region. Berichtet wird oft über Strukturschwäche, Strukturwandel, sterbende Innenstädte. Berichte über Armut und Überschuldung waren in den 2010er Jahren allgegenwärtig. Doch die Stadt an der Emscher hat selbstverständlich mehr zu bieten. Weithin bekannt sind das Gasometer, das Theater, das Niederrheinstadion oder der Kaisergarten. Da ist auch die Freie Universität Oberhausen, ein Projekt von Kultur im Turm e.V. (kitev). Auf spielerische Weise beendet es Oberhausens Status als „größte Stadt in Deutschland, die keine eigene Uni hat“, wie es auf der Internetseite heißt.
Stadttauben und urbaner Zusammenhalt
Auf der Seite der Freien Universität „mutimrevier.de“ fällt das Logo auf, eine Stadttaube – realitätsnah gebeugt, statt symbolhaft auffliegend. Tauben haben nicht den besten Ruf, gelten als Krankheitsüberträger. In Wirklichkeit sind sie sehr sozial, einst als Nutztiere gehalten, heute im Stich gelassen und aus dem Stadtbild des Ruhrgebiets nicht mehr wegzudenken. So wie die Rehabilitierung der Stadttaube längst überfällig ist, können Projekte wie das der Freien Universität Oberhausen die Geschichte Oberhausens neu schreiben – indem sie auf Bildungs- und Freizeitangebote und den Zusammenhalt im städtischen Raum setzen.
Vielfältig und lebensnah
Darüber hinaus führt die Website direkt zu den verschiedenen Fachbereichen der Freien Universität: Unter „Heimat Vielfalt“, „Einfach mal machen“, „Sport und Bier“, „Kunst im Quartier“ und „Gott und die Welt“ gibt es eine Fülle von Angeboten für unterschiedliche Interessen, Kenntnisse und Anwendungen. Gemeinsames Kochen und Essen, Spurensuche nach kulturellen Hintergründen und den Einwanderungsgeschichten, die Oberhausen prägen und geprägt haben, Theaterworkshops, ein Repaircafé, Sportarten zum Ausprobieren und Weitermachen, Musik- und Kalligraphie-Workshops oder ein Debattierclub – ein Angebot, das so vielfältig sein soll wie Oberhausen selbst. „Im Fokus stehen sollten Themen, die typisch und verbunden sind mit dem Ruhrgebiet. Wie Bier brauen, Fußball, Moppern und Do it Yourself in jeder erdenklichen Variation“, so die Begründung für die Auswahl der verschiedenen Themen.
Mut im Revier
Das Motto „Mut im Revier“ kann auch sinnbildlich für den Start des Projekts im Jahr 2019 stehen: Der Träger kitev und Menschen aus der Kultur- und Kreativszene Oberhausens hatten sich zusammengetan, um ein Probesemester anzubieten – mit großem Erfolg. Die Dokumentation des Semesters, auch als Film, ist öffentlich zugänglich. Und doch bleiben viele Fragen offen, dazu, wie sich die Bildungseinrichtung unter dem Namen „Freie Universität“ tatsächlich entwickeln will: Mit dem Begriff Universität verbindet sich beispielsweise gemeinsames Lernen, höhere Bildung, aber auch Stress und Prüfungen. Die Freie Universität fragt: „Aber ist das so und muss das so sein? Wo und wie kann Bildung sonst stattfinden?“ Die Frage ist wichtig, um einem verwertungsorientierten Bildungsverständnis entgegenzuwirken und Bildung zu demokratisieren. Wer keine Hochschulzugangsberechtigung hat, kann beruhigt sein: Für die Teilnahme an den freien Veranstaltungen der Freien Universität Oberhausen, braucht man ganz sicher kein Abitur.
GLÜCKSVERSPRECHEN - Aktiv im Thema
migrapolis.de | Das Haus der Vielfalt in Bonn „nutzt und fördert die Potenziale unserer postmigrantischen Gesellschaft“ insbesondere durch Fortbildungs- und Beratungsangebote sowie Forschung.
integreater.de | In dem in Berlin ansässigen Verein „engagieren sich junge Menschen mit Migrationsgeschichte, um mit ihren Biografien Schülerinnen und Schüler zu empowern“.
idaev.de | Das Informations- und Dokumentationszentrum für Antirassismusarbeit e.V. in Düsseldorf bietet unter anderem Bildungsangebote zum Umgang mit Rassismus und Diskriminierung an.
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