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Beim Auftakt in Xanten können Besucher:innen mit Mona Schulzeks „Outer Space Transmitter“ Nachrichten ins All senden
Foto: Mona Schulzek

„Jeder Besuch ist maßgeschneidert“

29. August 2024

Britta Peters von Urbane Künste Ruhr über die Grand Snail Tour durch das Ruhrgebiet – Sammlung 09/24

Im Interview spricht Britta Peters, die Leiterin von Urbane Künste Ruhr, über den Start der Grand Snail Tour (übers.: Große Schneckentour), die drei Jahre lang mit Ausstellungen, Performances und weiteren Veranstaltungen durch die 53 Städte des Ruhrgebiets führt. 

trailer: Britta, irgendwie erinnert mich die Schneckentour an Wolf Vostells Fluxus Zug von 1981.

Britta Peters: Mit dem Fluxus Zug von Vostell, der 1981 als mobiles Museum in einem Zug durch NRW getingelt ist, liegst du nicht ganz falsch. Was wir jetzt machen, ist definitiv performativer als die Installationen, die wir vorher gezeigt haben, mehr Happening – und der Versuch, die 53 Städte einmal anders zu verbinden. Unsere großen Ausstellungsformate wird es auch weiterhin geben, aber die Grand Snail Tour ergänzt das Programm um eine neue Bewegung: Jetzt fahren wir uns durchs Ruhrgebiet, bis in die kleinsten Städte, und haben dabei viel im Gepäck. Wir sind mit einem mobilen Ausstellungs- und Aktionsraum unterwegs. Da wird viel künstlerisch gedacht, und gleichzeitig machen wir auch viele Veranstaltungen.

Britta Peters
Foto (Ausschnitt): Heinrich Holtgreve
Zur Person: Kuratorin Britta Peters ist seit Januar 2018 Künstlerische Leiterin von Urbane Künste Ruhr. Zuvor realisierte sie im Team mit Kasper König und Marianne Wagner die Skulptur Projekte Münster 2017. Die Kulturwissenschaftlerin hat verschiedene größere Ausstellungsprojekte in Hamburg kuratiert, unter anderem 2008 bis 2011 als Leiterin des Kunstvereins Harburger Bahnhof.

Was wird in den 53 Städten für die Anwohner:innen zu sehen sein?

Wir bereiten unseren Aufenthalt gemeinsam mit Menschen vor Ort vor, jeder Besuch ist sozusagen maßgeschneidert. Mit den lokalen Partnern entscheidet sich auch, was da zu sehen ist. Das ist eine wüste Mischung. Natürlich gibt es gerade in den kleinen Städten 1001 Geschichten zu entdecken. Zusätzlich erarbeiten wir aber auch mit einigen Künstler:innen im Vorfeld performative Formate, die innerhalb der drei Jahre, die wir unterwegs sein werden, häufiger in Variationen gezeigt werden. 

Aber auf der Tour freuen sich, wie im Ruhrgebiet üblich, immer auch gleich 53Kulturdezernent:innen und Bürgermeister:innen.

Das hoffe ich doch. 

Werden die in irgendeiner Form auch beteiligt?

Wir eröffnen ja im September in Xanten, da spricht auch der Bürgermeister. Es ist schon so, je kleiner die Städte, desto näher sind wir am Bürgermeister oder der Bürgermeisterin. Wir suchen natürlich auch das Gespräch mit den Kulturinstitutionen. 

Warum startet die Schnecke überhaupt in Xanten am Niederrhein, das eigentlich nicht zum Ruhrgebiet gehört?

Xanten gehört zum Ruhrgebiet. Das geht alphabetisch von Alpen bis Xanten. Und wir starten natürlich bei den alten Römern, wir sind ja auch mit der Grand Snail Tour ein paar Jahre unterwegs. Man sollte da auch eher an eine Zimt- als eine Nacktschnecke denken, wenn wir von den Städten über den Kreis Wesel bis Hamm und dann durch den Süden und die größeren Städte bis Herne reisen, wo die Tour nach drei Jahren endet – im Mittelpunkt des Ruhrgebiets.

Sind schon alle Projekte fest oder müssen die sich erst entwickeln?

Das entwickelt sich, die ganze Tour ist stark auf Prozess und Erfahrung angelegt, wir beginnen ja praktisch mit einem fast leeren Wagen. Das ist so ein Marktwagen, den wir zusammen mit den Künstlerinnen Paula Erstmann und Lisa Klosterkötter als Trinkhalle benutzen. In Xanten hat die letzte Bude in der Innenstadt vor nicht allzu langer Zeit dichtgemacht, also bringen wir nochmal eine mit, die die beiden Künstlerinnen entwickeln haben. Zuvor erarbeiten sie mit Jugendlichen vor Ort alle möglichen essbaren Dinge, die man dann da probieren kann. 

Ihr sagt, ihr wollt wieder nachhaltige Netzwerke knüpfen. Ist das fast 15 Jahre nach dem Ruhrgebiet als Kulturhauptstadt Europas immer noch nötig?

Das ist eine gute Frage. Ich denke, wir knüpfen sie einfach. Wir sind schon sehr gut vernetzt im Ruhrgebiet. Mir geht es eigentlich nicht um ein Netzwerken als Selbstzweck, sondern um die Hoffnung, dass die Region vielleicht doch einmal als eine gemeinsame große Stadt funktioniert. Vieles von dem, was in den kleineren Gemeinden passiert, war uns bisher nicht bekannt. Deshalb erhoffe ich mir mehr Kontakt für beide Seiten: dass wir interessante Initiativen und Menschen kennenlernen und umgekehrt, dass noch mehr Menschen etwas mit Urbane Künste Ruhr und unseren Projekten verbindet. Wir sehen das jetzt schon bei unserer Ausstellung „Landscapes of an Ongoing Past“, auf die wir bei unseren Vorabgesprächen für die Tour immer wieder zu sprechen gekommen sind und so ein viel breiteres Publikum persönlich zu unseren Workshops einladen konnten als bisher. Es geht also auch um neue Verbindungen, nicht um so ein Kulturhauptstadtgedöns, sondern um die Unterstützung in den Netzwerken. Man muss sich ja auch nichts vormachen, die nächsten drei Jahre werden politisch heftig. Gerade in den kleinen Kommunen ist es wichtig, dass sich dort eine bunte Community zusammenfindet, gegen die braunen Marktschreier, die mit ihren Ständen den öffentlichen Raum besetzen. 

Urbane Künste Ruhr. Was ist am ländlichen Raum urban?

Das schöne Wort semiurban trifft es ganz gut. Die Menschen sind ja nicht wirklich weit von den größeren Städten entfernt. Zwischendurch ist das Ruhrgebiet erstaunlich ländlich, aber die urbane Infrastruktur ist immer in der Nähe. Diese polyzentrische Struktur des Ruhrgebiets könnte – mit zunehmendem Homeoffice – fast ein neues Lebens- und Arbeitsmodell sein, bei dem man im Grünen wohnen kann und doch schnell städtische Kulturangebote zur Verfügung hat und nutzen kann. 

Der Begriff Metropolenregion bleibt dennoch unausrottbar.

Aber er kommt mir auch bis heute nicht über die Lippen, das ist einfach zu viel Marketingsprech.

Auftakt der Grand Snail Tour in Xanten | Do 26.9. | Marktplatz Xanten | 0234 97 48 35 06

Interview: Peter Ortmann

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