In gold we trust. Was ist, wenn es weg ist? Dann bleibt nur noch der Glaube an die Fiktion, an die Ziffer, an die Geister des Kapitals. Mitten in die unruhigen Zeiten des Negativzinses lässt Hermann Schmidt-Rahmer die Addams Family auf den Kapitalmarkt los. Er inszeniert in den Bochumer Kammerspielen Honoré de Balzacs „Mercadet le faiseur“, eine „Komödie“ von 1840, die zeigt, dass es die Welt, in der sich allein die Phantasie in bare Münze verwandelt, schon damals gab und wohl auch immer geben wird. Dumm bleiben die Dummen auf ewig, selbst wenn man ihnen die Wahrheit über ein forderungsbesichertes Wertpapier erklärt, sie werden es gierig kaufen. Schmidt-Rahmer benutzt den Balzac als Kokon, in dem die aktuellen Machenschaften der internationalen Geldhaie zu grotesken Zuständen führen, in denen dokumentarische Zitate deutscher Finanzminister, die Unsichtbare Hand von Adam Smith, aber irgendwie auch das eiskalte Händchen der Addams von Charles Addams über die Bühne geistern.
Doch worum geht es eigentlich? Das ist fix erklärt. Mercadet (Jürgen Hartmann, ein überzeugenderGomez Alonzo Lupold Addams)istein Jongleur des Finanzmarktes. Schulden sind sein Kapital, der Tresor gähnt vor Leere, jetzt droht die Pleite, wohlgemerkt nicht die Insolvenz, nein der Konkurs! Seine Frau (Veronika Nickl, köstlich, auch optischMorticia A. Addams) unterstützt ihn. Sie kennt die trüben Wasser, in denen er fischt, genau.Ihnen bleibt als Handlungsmasse nur noch Tochter Julie, deren Heirat mit De la Brive (Nicola Mastroberardino, in gleich drei Rollen zum Niederknien) den alten Glanz wiederherstellen soll. Natürlich kommt alles anders als die Addams denken, doch das ist ja auch gut so. Lehman-Bros.-Zitat: „Die Scheiße ist längst nach Europa rüber geschwappt.“ Schmidt-Rahmer baut Gesprächsprotokolle aus dem Oval Office, Mario Draghi und Condoleezza Rice in die gruselige Groteske, ein überaus amüsantes Spiel, doch wird es wieder leider ohne Effekt bleiben, die Parteien, die das System möglich machen, werden wiedergewählt. Das ist so sicher wie der Negativzins.
„Gespenster des Kapitals“ | R: Hermann Schmidt-Rahmer | Mi 3.12., So 14.12., So 28.12. 19.30 Uhr | Kammerspiele Bochum | 0234 33 33 55 55
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