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„Man sollte sich wieder an ihn erinnern“

03. November 2021

Tobias Burg über „Federico Fellini. Von der Zeichnung zum Film“ – Sammlung 11/21

Federico Fellini (1920–1993) war einer der bedeutendsten Filmemacher des 20. Jahrhunderts. Und er war Zeichner. Das Museum Folkwang zeigt nun am Beispiel ausgewählter Filme die Zeichnungen und stellt sie den realisierten Szenen gegenüber. trailer sprach darüber mit Kurator Dr. Tobias Burg.

trailer: Herr Burg, warum Federico Fellini – fast 30 Jahre nach seinem Tod?

Tobias Burg: Weil Fellini mittlerweile historisch geworden ist, Filmgeschichte geschrieben hat und vielleicht auch ein bisschen in Vergessenheit geraten ist. Aber man sollte sich wieder an ihn erinnern, vor allem an seine Filme, aber auch an die weniger bekannten, aber ziemlich beeindruckenden Zeichnungen von ihm.

Kann man seine Zeichnungen losgelöst von diesen Filmen betrachten?

Das kommt auf die Zeichnungen an. Zeichnen war etwas, das Fellini von klein auf gemacht hat. Er hat als Jugendlicher Urlauber am Strand gezeichnet und ihnen diese Zeichnungen dann verkauft. Im befreiten Rom hat er die amerikanischen Soldaten karikiert, sodass sie diese Zeichnungen nach Hause schicken konnten. Er führte auch Traumtagebücher, in denen er, wenn er morgens aufgewacht ist, aufgeschrieben hat, was er geträumt hat, in die er aber auch bestimmte Szenerien, die ihn besonders beeindruckt haben, gezeichnet hat. Darüber hinaus, und das ist das eigentliche Thema unserer Ausstellung, gibt es aber sehr viele die Zeichnungen, die ganz eng mit der Konzeption seiner Filme zusammenhängen.

Tobias Burg
Foto: Jens Nober
ZUR PERSON: Tobias Burg hat Kunstgeschichte, Geschichte und Slawistik in Trier und Dresden studiert. Seit 2007 ist er Kurator der Grafischen Sammlung am Museum Folkwang. Unter anderem hat er eine Vielzahl von Einzelausstellungen zu Künstlern des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart organisiert, darunter Joan Mitchell, Jim Dine, Tomi Ungerer und Nancy Spero.

Haben diese Anfänge als Karikaturist seinen Hang zum Grotesken geprägt?

Auf jeden Fall. Das waren seine ersten Verdienstmöglichkeiten, er hat dann auch in italienischen Zeitungen und Zeitschriften publiziert, aber gerne auch in Publikationen, die auf Humor und Satire spezialisiert waren. Damit ist er groß geworden.

In den Zeichnungen erkennt man zum Teil sehr frivole Charakterstudien.

Ja, durchaus. Da gibt es auch Zeichnungen, die sehr lustig sind, aber manchmal auch schockierend, die Zeichnung ist ein Medium, in dem man solche Dinge auch mal ausloten kann. In den Filmen spiegelt sich das in geringerem Umfang wider.

Dafür zeichnete er eher Kostümentwürfe?

Es gibt tatsächlich Zeichnungen, die ganz unmittelbar mit Fragen zum Film zusammenhängen, wie man beispielsweise eine bestimmte Figur schminken soll. Der Maskenbildner konnte die Zeichnung dann als Vorlage verwenden. Aber Fellini nutzte die Zeichnung auch, um sich Gedanken zu den Kostümen oder den Szenenbildern zu machen. Er machte Skizzen zu ganzen Räumen, die an den Szenenbildner weitergegeben wurden, und der hat dann überlegt, wie das im Film tatsächlich aussehen könnte. In einem noch früheren Stadium hat Fellini Zeichnungen dazu verwendet herauszufinden, wie er sich eine bestimmte Figur vorstellt und welcher Schauspieler oder welche Schauspielerin diese dann verkörpern soll. Dazu haben wir mehrere Beispiele in der Ausstellung.

Welches Jahrzehnt seines filmischen Schaffens steht denn im Folkwang im Vordergrund?

Wir präsentieren Zeichnungen von den frühen 1950er bis in die frühen 1980er Jahre hinein, bilden also chronologisch fast das gesamte Schaffen in der Ausstellung ab. Der Schwerpunkt liegt aber auf Produktionen der 1970er und früher 1980er Jahre. „Amarcord“ spielt eine ganz wichtige Rolle, von „Casanova“ und „Die Stadt der Frauen“ zeigen wir ebenfalls sehr schöne Beispiele und auch zu „Fellinis Schiff der Träume“ präsentieren wir eine größere Gruppe von Zeichnungen.

Wie kuratiert man so ein zeichnerisches Schaffen von Gelsomina aus „La strada“ bis zu den Passagieren in „Fellinis Schiff der Träume“?

Wir wollen zunächst einmal deutlich machen, dass Fellini immer gezeichnet hat. Deshalb zeigen wir gleich im ersten Raum Skizzen, die unabhängig von Filmen entstanden sind, die Fellini zum Beispiel beim Telefonieren gemacht hat und die sehr witzig sein können. Wir stellen auch Karikaturen aus, die er von engen Mitarbeitern gemacht hat, etwa von Giovanni „Nino“ Rota, seinem großen Komponisten, aber auch von seiner wichtigsten Mitarbeiterin, Liliana Betti. In den weiteren Räumen bewegen wir uns dann entlang der Chronologie der Filme, denn es geht ja um die Verbindung zwischen den Zeichnungen und den Filmen.

Viele Besucher haben die Filme aber vielleicht nicht gesehen?

Das stimmt. Und weil man heute beim Publikum nicht voraussetzen kann, dass alle die Filme vor Augen haben, wäre es ein Risiko, wenn man „einfach nur“ die Zeichnungen zeigt. Deshalb kombinieren wir sie in der Ausstellung mit Fotografien, die damals am Set entstanden sind. So haben Besucher dann die direkte Verbindung zwischen der Idee Fellinis und ihrer Umsetzung im Film. Am Set lief immer ein Fotograf herum, der nichts anderes gemacht hat, als die gesamte Filmproduktion praktisch aus dem Blickwinkel der Kamera zu fotografieren. Wir hatten das Glück, dass in der Sammlung von Jakob und Philipp Keel in Zürich, aus der die Zeichnungen stammen, auch ein großer Bestand an Fotografien existiert, aus denen wir auswählen konnten. Die sind nun die zweite wichtige Ebene, die dritte Ebene sind Auszüge aus den Drehbüchern. Auch das hilft zu verstehen, was für Figuren auf den Zeichnungen zu sehen ist und in welcher Szene sie auftauchen. Alles zusammen macht das Schaffen Fellinis und seine Arbeitsweise dann sehr anschaulich.

Federico Fellini. Von der Zeichnung zum Film | 12.11.2021 – 20.02.2022 | Museum Folkwang, Essen | 0201 884 50 00

 

INTERVIEW: PETER ORTMANN

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