Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
16 17 18 19 20 21 22
23 24 25 26 27 28 29

12.581 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Geht für den Kontakt zum Vater in den Keller, Pary El-Qalqili
Foto: Duisburger Filmwoche

Begehrte Lebensräume

30. Oktober 2012

Wo die Linse hinfällt: die 36. Duisburger Filmwoche vom 5.-11. November – Festival 11/12

In Bruckhausen, etwa neun Kilometer vom Dellplatz entfernt, dem Festivalzentrum der Duisburger Filmwoche, liegt eine Siedlung, über der die Abrissbirne wie ein Damoklesschwert hängt. 175 Häuser sollen dort abgerissen werden, um einen „Grüngürtel“ zwischen dem einstigen Vorzeigestadtteil Bruckhausen und den Thyssen-Krupp-Werken zu schaffen. Nach zähen Verhandlungen mit Eigentümern und Mietern sieht sich die Stadt bei den letzten Grundstücken nun gezwungen, ein Enteignungsverfahren einzuleiten. Für die Mieter bedeutet das so der so: raus da! Ein Prozedere, das seit April dieses Jahres für viel Diskussionsstoff gesorgt hat, zeigt es doch, wie schroff Bürger- und Stadtinteressen aneinanderstoßen können, wenn es um (neue) Lebensräume geht. Lebensräume werden auch bei der 36. Auflage der Filmwochen zu sehen sein, wenngleich hier vor allem der fragile Bildraum der Kamera für Gesprächsstoff sorgen dürfte. Dennoch startet das Festival um den langjährigen Leiter Werner Ruzicka im Duisburger Raum – genauer gesagt im südlichen Hüttenheim. Dort schauten Florian Pawliczek und Andy Michaelis in ihrem Film „Stahlbrammen und Pfirsiche“ auf die Stahlöfen in den Werken von Krupp-Mannesmann (Mo 5.11. 20 Uhr).

Weniger Lokalkolorit, dafür eine persönliche Verzahnung von Familien- und Weltgeschichte kann man in Pary El-Qalqilis „Schildkrötenwut“ sehen. Die in Berlin-Zehlendorf geborene Regisseurin portraitiert darin das Verhältnis zu ihrem Vater, der nach jahrelangem Kampf für die palästinensische Autonomie nun bei der Familie in Deutschland lebt, allerdings verkrochen, im Keller des Hauses. El-Qalqili pendelt in ihrer Erzählung zwischen einer persönlichen Annäherung an ihren Vater (im Keller) und der Suche nach seiner verlorenen Heimat. Dabei wird die Regisseurin selbst zum treibenden Handlungselement (Do 8.11. 9 Uhr). Weniger als die „Schildkrötenquadratmeter“ bleibt den Insassen in „Thorberg“: Das im Volksmund „Alcatraz der Schweiz“ genannte Gefängnis interessiert Regisseur Dieter Fahrer aber weniger. Es ist mehr die Portraitierung der Häftlinge, ihrer Schicksale und ihrer psychischen Belastung, die in „Thorberg“ dominieren. Abgesehen von ein paar latent pathetischen Musikeinspritzern gelingt ihm eine nüchterne Fragestellung über die Funktion von Orten wie Thorberg für die Resozialisierung von schweren Straftätern, die hier als Menschen gezeigt werden (Mi 7.11. 17 Uhr). An einen anderen Rand der menschlichen Zivilisation geht der Münchener Sven Zellner. In der mongolischen Wüste Gobi begleitet er über ein Jahr lang illegale Goldgräber, abseits jeglicher Urbanität und häufig mit nicht mehr als der Hoffnung auf Edelmetall beladen. Zugleich schafft Zellner, der Mongolisch spricht und für seinen Debütfilm vier Jahre um die Gunst seiner Protagonisten warb, einen Einblick in die postnomadische Mongolei (Sa 10.11.15 Uhr).

Auch alte Bekannte des Festivals wie Nikolaus Geyrhalter, Harun Farocki oder Stanisław Mucha sind wieder zu Gast und stehen – wie auch alle anderen Regisseure – traditionsgemäß für Diskussionen zur Verfügung. In der Zwischenzeit widmet sich ein Dokumentarfilmer vielleicht dem Schicksal von Bruckhausen. Die Stadt Duisburg wäre mit einem „Image-Film“ für ihre „grüne Stadtplanung“ sicherlich einverstanden.

36. Duisburger Filmwoche I 5.-11.11. I Filmforum am Dellplatz Duisburg I www.duisburger-filmwoche.de

DAWID KASPROWICZ

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

Wenn Kino Schule macht
Die Reihe Filmgeschichte(n) spürt Schulgeschichten auf – Festival 05/24

Die inneren Mauern fallen lassen
Schwules Filmdrama über Ängste und Identitätsfindung in der Queer Film Nacht

Große Stars und kleine Leute
Außergewöhnliche Biografien bei „Stranger than Fiction“ – Festival 01/18

Kino für Flüchtlinge
Kinoprogrammpreisverleihung im Gloria-Theater – Kino 11/15

Dokumentarfilm attraktiv machen
Bei der Duisburger Filmwoche waren Jugendliche und Kinder das Thema - Festival 11/12

Der neue Materialismus
Viele „Stoffe“ vom 7.-13.11. bei der Duisburger Dokumentarfilmwoche – Festival 11/11

Kino als Schule
Im Filmforum Duisburg kann man Filme sehen lernen - Kino.Ruhr 04/11

Spatzenmord in der Hafenstadt
Eine Woche deutschsprachiger Dokumentarfilme - Festival 11/10

Festival.

HINWEIS