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Bloort: Karl-Heinz Blomann und Richard Ortmann
Foto: Stephanie Spichala

Rauschhafte Experimente

16. Oktober 2017

Bei der Abschluss-Veranstaltung im Evinger Schloss zeigt das Festival „Blaues Rauschen“ sein Potential – Musik 10/17

Experimentelle Vernetzung von Licht und Ton, analog und digital, real und virtuell, alt und modern, von lokalen bis internationalen KünstlerInnen verschiedener Generationen sowie drei Ruhrgebietsstädten als Austragungsort – das bot die Premiere des Off-Stream-Festivals „Blaues Rauschen“ über fünf Tage in Herne, Essen und Dortmund. Beim Blauen Rauschen steigt die Rauschenergie pro Oktave um 3dB an, schon an sich eine spannende Idee, das Rauschen, das man sonst eher auszumerzen versucht, künstlerisch auszuloten, frei nach dem Motto: Ist das Kunst oder kann das weg?

Das Event für experimentelle elektronische Musik der „open systems“-Festivalmacher will mit dieser Neuauflage wie schon mit anderen Festivals zuvor Kultur im Ruhrgebiet miteinander verbinden – und über das Ruhrgebiet hinaus, erklärte Initiator Eckart Waage beim Abschlusstag am Samstag in Dortmund. Im zum Teil blau ausgeleuchteten Evinger Schloss, dem sanierten Zentrum der Alten Kolonie, das auch das Archiv für populäre Musik im Ruhrgebiet beherbergt, wurde der Ausklang des Festivals gefeiert. Mit drei verschiedenen Live-Performances und einer Licht-Installation von Namia Leigh: Ein Plattenspieler mit einer durchlöcherten Platte und Lichtquellen an drei Greifarmen, das Drehen der Platte erzeugte ein buntes Lichtspiel, das an die Wand geworfen wurde. Ein Beispiel, wie man überholte Technik kreativ und modern umfunktionieren kann.

Die Live-Performance begann mit BLOORT, dem Ruhrpott-Duo Karl-Heinz Blomann und Richard Ortmann, die sich thematisch mit dem Ausstieg aus der Kohleindustrie beschäftigen. Rauschtöne aus dem Saxophon, elektronische Musik und realhistorische Zechenklänge aus dem Archiv bildeten eine spannende Einheit, begleitet von einem Mix aus Bergbau-Archivbildern und Live-Aufnahmen der Performance auf mehreren Röhren-Bildschirmen. Blomann ist zudem Ko-Initiator des Festivals.

Danach trat Balázs Kovács aus Pécs auf, der ungarischen Kulturhauptstadt Europas 2010. Wer glaubte, dass hinter seiner Performance kein Konzept stand, hatte in gewisser Weise recht: Live-Improvisation elektro-akkustischer Musik ist sein Steckenpferd, also die Einheit aus Live-Komposition und Aufführung, wobei der studierte Philosoph und Radiomacher die Harmonie in der Dissonanz zu finden sucht. Äußerst gelungen, denn immer kurz bevor die experimentellen Klangteppiche die Grenze zum Unangenehmen zu übertreten drohten, schraubte er den Spannungsbogen wieder herunter.

Den Ausklang im wahrsten Sinne des Wortes bot Musiker, DJ und „Oktaf“-Labelbetreiber Martin Juhl aka Marsen Jules aus Lünen, der die Zuhörer im fast stockdunklen Raum mit Ambient-Musik in andere Sphären entführte. Doch immer, wenn man sich in angenehme Trance entgleiten fühlte, holte Jules die Zuhörer zurück in den Schloss-Raum, zum Beispiel wenn die leiser werdenden Sphärenklänge durch das Ticken einer Uhr unangenehm störend übertönt wurden – man war versucht, sich suchend nach der Uhr im Raum umzuschauen. „Shadows In Time“ nennt sich denn auch diese Performance. Alteingesessene Dortmunder kennen Jules auch noch aus dem Club Cosmotopia, zudem war er 2009 für das deutsche Goethe-Institut als Kulturbotschafter für elektronische Musik aus Nordrhein-Westfalen unterwegs.

Der Plattenspieler von Namia Leigh wird zur Lichtinstallation, Foto: Stefanie Spichala

Insgesamt eine spannende Zusammenkunft an Vernetzung interessierter experimentierfreudiger KünstlerInnen abseits des Mainstreams, in Essen und Herne konnte man unter anderem Club Bleu und Mouse on Mars erleben. Der Workshop „Dis.GUI.sed“ für Jugendliche in Herne machte das Smartphone zum Mittelpunkt des technisch-kreativen Experiments, die Ergebnisse daraus wurden ebenfalls präsentiert.

Das Festival bot damit auch einen kritischen Blick auf die schnelllebige Technik-Entwicklung und die Wegwerfgesellschaft unserer Zeit und machte somit deutlich, dass Transformation ein besserer und spannenderer Prozess ist, der das Alte im Neuen mit aufnimmt. So auch die Transformation der open systems-Festivalreihe zum Blauen Rauschen, eine jährlich angedachte Offstream-Veranstaltung, die vor allem die junge Generation auf sich aufmerksam machen will. Mit rund 20 Besuchern am Abschlusstag ein sicher noch ausbaufähiges, aber wirklich empfehlenswertes Event.

Stephanie Spichala

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