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Bekennender Hedonist: Wallensteiner Jürgen Dollase auf der ElectriCity-Konferenz
Foto: Dominik Lenze

Mit oder ohne LSD

04. November 2015

Krautrocker auf der ElectriCity-Konferenz über den Anfang elektronischer Musik

„Meine Motivation für Musik war LSD – sonst gar nichts“, bekennt Jürgen Dollase, seines Zeichens Gastro-Kritiker bei der FAZ und offenkundig schon zu Jugendzeiten ein Feinschmecker der besonderen Art. Zu Zeiten, als er als Mitglied der Krautrock-Band Wallenstein gemeinsam mit anderen Ikonen wie Kraftwerk die Grundsteine legte für den neonbunten Strauß an Genres, die man so leicht mit dem Begriff „Elektronische Musik“ zusammen fasst.

Und die hatte hierzulande, anders als in den USA, ihren Ursprung nicht im Club, sondern in den Proberäumen der sogenannten Krautrock-Bands. Die Musik von Wallenstein, und selbst die von Kraftwerk, hat mit heutigen Genres wie Techno, Minimal oder Dubstep nicht viel gemein – aber wie viel von dem, was heutige elektronische Musik ausmacht, war damals schon auszumachen? Dollase und Bandkollege Harald Grosskopf sowie Michael Rother (Kraftwerk, NEU!, Harmonie) sprachen über die Anfangszeiten in den frühen 70ern.

Kongress-Stimmung: Michael Rother, Moderator Phillip Holstein, Harald Grosskopf und Jürgen Dollase im Congress Center Düsseldorf, Foto: Dominik Lenze

Und die waren, wie Dollase schildert, von einem charmanten Dilletantismus geprägt: Die Szene war kaum organisiert, gute Produzenten waren Mangelware und trotzdem gab es eine inflationäre Flut an Neuerscheinungen: „Alle hielten sich für den Größten – es gab nur Götter“, sagt Dollase lachend. An Syntheziser war für die jungen Bands noch gar nicht zu denken, einfach aufgrund des Kostenfaktors. Was das mit elektronischer Musik zu tun hat? Es ist die Liebe zum Experiment mit dem Sound, wie die beiden schildern: Gewöhnliche Instrumente ungewöhnlich gespielt, mit dem Ziel, neue Sounds zu kreieren, darum ging es den Wallensteinern genau so wie ihren Zeitgenossen von Kraftwerk oder Harmonie. Es gehe um Reizüberflutung, erklärte Dollase: „Es sind nicht bloß Töne. Es ist Musik mit neurologischer Wirkung.“ Für ihn ging es stets um den reinen Hedonismus.

Dem Ganzen im Nachhinein einen intelektuellen Überbau überzustülpen, findet er unsinnig: Die Musik seines Bandprojekts „Kosmische Kuriere“ sei zum Beispiel spontan im Proberaum auf LSD entstanden: Trip rein und los geht’s – ohne große Reflexion. Die brauchte es garnicht, sondern: „Eine juvenile Kreativität“, findet Dollase. Das bedeutet: Ohne große Vorbildung einfach machen, ausprobbieren und ohne Scheu die Grenzen übertreten, die einem sowieso gar nicht bewusst sind.

 

Für Ex-Bandkollege Grosskopf ist ganz klar, dass ihre Musik aber auch ein Kind der Zeit ist: „Wir sind in Nazi-Atmosphäre aufgewachsen. Das war ein starker Antrieb zu rebellieren und sich von allem abzugrenzen“ sagt er über seine Nachkriegsjugend. Sowohl von deutscher Schlagermusik - „das Allerletzte“, so Grosskopf – aber auch von amerikaniscehr Popmusik. Michael Rother sieht das ähnlich: „Der Wunsch nach Veränderung hat uns alle beeinflusst. Und der Wunsch, eine eigene Identität zu bilden.“ Das Ex-Mitglied von Kraftwerk, Harmonie und NEU! habe sich jahrelang von allen Einflüssen abgeschottet – mit dem Ziel, etwas wirklich Neues zu schaffen.

"Ich wollte mich von allem abschotten": Ex-Kraftwerker Michael Rother

Musik, die wirkt wie eine Droge – vorbei an den Barrieren der Vernunft, ohne Umwege direkt ins Nervensystem. Musik als Reiz. Musik als abenteurliches Experiment mit dem Sound. Auch wenn über 30 Jahre zwischen heutiger elektronischer Musik – sei es harter Techno oder sanfter Electro-Pop – und damals liegen: Es ist dieses Musikverständnis, dass all diese Stile auf einen Nenner bringt. Ob mit oder ohne LSD.

 

Dominik Lenze

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