Natürlich konnte es sich die Bahn nicht nehmen lassen, pünktlich zum Festival-Start ein paar Verspätungen und Ausfälle rauszuhauen. Wer es jedoch schweißgebadet aus den überfüllten Regionalzügen nach Bochum geschafft hatte, durfte sich freuen: Um 17 Uhr sah alles aus wie im Vorjahr. Bochum hatte sich erneut in die Fesival-Stadt verwandelt. Was zu diesem Zeitpunkt noch fehlte, waren die Menschenmassen. Als Käpt'n Moby mit kuscheligem Rock den Opener auf der Ringbühne machten, war durchaus noch Platz auf dem Beton vor den Securitys. Die Wärme schien ein paar Besucher erstmal ins Freibad gelockt zu haben statt in die innerste City. Dabei sorgten günstige Bierpreise und menschliche Rasensprenger für den nötigen Cooling-Effekt.
I am Jerry hatten es da schon kuscheliger. Traditionell ist die 1LIVE-Bühne der große Publikumsmagnet und die Jungs aus Bochum hatten zusätzlich ein Heimspiel, das sie souverän für sich entschieden. Die eigenwilligen Synthie-Sounds, gepaart mit schnodderigem Sprechgesang ließen nicht nur heute an Kraftklub denken, ohne sie jedoch zu kopieren. „Bochum, die Hände!“, forderten sie und Bochum lieferte. Während The Tips sich auf der Sparkassen-Bühne einskankten, machte sich King Automatic bereits warm, um das Staffelholz entgegenzunehmen. Um 18.15 Uhr machte sich der Master of „transglobal Rock’n’Roll“ auf, um mit Multitasking der extremen Art zu unterhalten. Schräge Gitarren, chrashige Beats und Orgel-Sounds der One-Man-Band kamen beim nun schon deutlich angewachsenen Publikum bestens an. Auch Botticelli Baby hatten die Meute mit ihren virtuosen Bläsersätzen und einer Hommage an Essen-Kray auf ihrer Seite. Lokalpatriotismus zieht halt immer.
Luxuslärm statt Twin Atlantic
Während auf der 1LIVE-Bühne in der Folge Phrasen gemäht wurden, durfte man sich vor der Ringbühne ein paar Jahrzehnte zurück versetzen lassen. Mehr als frivole Unterhaltung lieferten die drei Front-Frauen von Liptease. 60s-Dance-Rock’n’Roll, der akustisch und visuell im Gedächtnis blieb. Vielleicht der sexiest Netherland-Export seit langem. The Toasters gaben den Headliner auf der Sparkassen-Bühne und mancher Fan ist für die 2-Tone-Legende sogar aus Belgien angereist, wie eine junge Dame mit flämischem Aktzent verriet. Die New Yorker sind Genre-Helden und spielten sich auch an diesem Abend gewohnt cool, mit viel Understatement, fast schon Erfurcht, durch ihr 45-minütiges Set. Dabei ging es einmal quer durch die gut 25-jährige Bandgeschichte. Parallel schwitzten sich hartgesottene im Intershop zu stürmischem Punkrock von Polltax kaputt, oder supporteten Ersatz-Headliner Luxuslärm, die für die am Euro-Tunnel hängengebliebenen Twin Atlantic aus Schottland einsprangen und ihre Sache mehr als gut machten. Nicht zuletzt wegen ihres Hits „Atemlos“, welcher aus dem Mund von Frontfrau Janine Meyer deutliche erträglicher klang, als von einem gewissen Schlager-Sternchen.
Zukunftssternchen zum Abschluss
Gegen 22:30 Uhr wurden dann die Campus-Newcomer 2015 gekührt. Heldmans Sohn, Inide The Amber Room, Frostitudes und Levee Break hatten sich um den Sieg im Riff beworben. Letztgenannte Band durfte freudestrahlend Urkunde und diverse Sachpreise entgegennehmen. Häme oder Neid der anderen Bands waren nicht zu spüren. Friede, Freude, Eierkuchen und irgendwie entspannt unaufgeregt ging es zu. Symptomatisch für den ersten Festival-Tag. Wärme stellt kalt. Da kommt noch mehr…
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