Pizza ist so eine Sache. Mit Pizza spaßt man nicht. Immerhin ist sie nur ein Fladenbrot aus Mehl, Wasser und ein wenig Hefe, das mit verschiedenen Zutaten belegt und dann gebacken wird. Aber soll diese schlichte Rezeptur etwa der Grund sein, warum mutierte Schildkröten in der New Yorker Kanalisation diesen italienischen Exportschlager zur Hauptnahrung erklärt haben? Oder dass ein Düsseldorfer Ausstellungshaus dem Fladen eine Ausstellung widmet. „Pizza is God“ (fehlt da nicht ein „o“?) ist eine Gruppenausstellung im NRW-Forum, die immaterielle Güter eines Weltkulturerbes zelebriert. Um es vorweg zu sagen: Seit der Eröffnung mit einer performativen Speisung der Besucher riecht da nichts mehr. Auch wenn gleich hinter dem Entree eine Schachtel mit Restpizza in der Ecke liegt. Der dänische Bildhauer Lars Bent Petersen zeigt mit „Unregistered work (bonus)“ von 2006 wie achtlos heute mit Nahrungsmitteln umgegangen wird. Konsumgut hin, Konsumgut her, auch in antiker Pose mit Pizza in Grisaille (Spencer Sweeney, „Pizza God“, 2011) macht das Fladenbrot etwas her. Auch als Schminkspiegel an der Wand, in dem wir uns selbst als Pizza spiegeln (Paul Barsch, „Pizza Voyeur“, 2014), oder hat den Besucher da gerade die Mondform getäuscht? Barsch hat das Objekt erklärtermaßen als Bewachungskamera installiert – damit die Pizza uns beobachten kann.
Meine Lieblingsarbeit ist 8:02 Minuten lang und eine Arbeit vom australischen Videokünstler Simon M. Benedict. Sein filmisches Triptychon „Andy Warhol Eating A Hamburger Macaulay Culkin Eating A Pizza And Simon M Benedict Eating Chips“ hat mich erst einmal genau so lange festgehalten. Es ist zum Niederknien, wie Andy diesen Hamburger 1981 im Film vom Dänen Jørgen Leth verspeist, flankiert vom Künstler und Culkin 2013 in seinem Pizza-Reenactment.
Dutzende Millionen von diesen Fladen werden allein in Deutschland verputzt. Vom Junkfood hat es sich etwas gemausert, hat Kultstatus bei Jung und Alt und ist selbst nicht mehr die jüngste Leibspeise. Allerdings kommt bei ihrer häuslichen Herstellung auch immer eine gestalterische Komponente hinzu, Kreativität zwischen Belag und Farbgebung, zwischen Bräunungsgrad und Käsesorte. Soo einfach ist das denn doch nicht mit dem Fladenbrot. Die erste Pizza soll im Jahr 1889 in Neapel gebacken worden sein und sich gegen Ende des Jahrhunderts bereits durch italienische Auswanderer in den USA verbreitet haben. In Deutschland wurde sie eigentlich erst in den 1960ern richtig populär und spätestens mit Warhol und der Pop Art auch massentauglich. Zur Hochkultur erklärt wurde sie allerdings erst 2015 mit dem Pizza Pavillon auf der Biennale. In Düsseldorf werden selbst Pizzaschachteln zu artifiziellen Säulen (Daniel van Straalen, „Studio Life“) und Pizzen zu übergroßen Plastiken. Tom Friedman will so die Präsenz des Essbaren als neue Relation zwischen Objekt und Mensch betrachtet sehen. Absurd, nun ja, als Familienpizza bei großen Feiern hätte diese Dimensionierung schon etwas, wenn man sie denn geschnitten bekäme. Am Schluss noch mal schnell die Fetisch-Communities im Internet gespiegelt (Jennifer Chan), ne kochend heiße Pizza als Porno kann vielleicht auch entzücken, aber ich schau lieber nochmal bei Andy.
Pizza is God | bis 20.5. | NRW-Forum Düsseldorf | www.nrw-forum.de
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