Sind wir nicht alle mehr Sammler als Jäger? Schon als Kinder vergnügte uns Onkel Dagoberts riesige Talersammlung und sein erster Glückszehner in der Glasvitrine hätte vielleicht für uns genauso großen Sammlerwert besessen, doch bei uns regierte damals ja nicht mehr der Taler, sondern der Groschen. Witzig, heute gibt es beides nicht mehr.
Einer, dem das Sammeln wohl in den Genen steckt, ist der Düsseldorfer Selim Varol. Er sammelt keine goldenen Kreuzer (oder vielleicht auch), sondern eher zeitgenössische Kunst der Extraklasse und das seit über drei Jahrzehnten. Das NRW-Forum zeigt noch bis Anfang Februar die Ausstellung „Wonderwalls. Art &Toys“ und die über zweitausend (2.000!) Werke stellt der Sammler Varol ganz alleine. Schon das ist ein Unikum, aber diese Sammlung der Street-Art, quasi von ihrem Beginn in den 1960 und 70er Jahren, toppt alles.
Es ist ein Tsunami an Farben und Spielzeug-Design, Multiples ausgereizt bis in die letzte Anomalie. Als Fan bekommt man Schnappatmung, als alter Mann bei Astro-Boy und der gigantischen He-Man Sammelbox Pipi in die Augen. Da sind sogar unbekannte Figuren dabei. Bei der Macht von Banksy, der immer noch der Illegalität frönt (zuletzt in der Ukraine), wenn seine Galeriewerke auch längst für Millionen Taler gehandelt werden, selbst wenn er versucht, sie ferngesteuert zu schreddern.
Hier stößt die Street-Art an ihre Grenzen und gleichzeitig in ein neues Universum vor. Denn wer wollte den Künstlern den Broterwerb verwehren? Und das Politische nimmt sich nichts. Shepard Faireys visuelle Höllenwand aus Postern, die in über zwei Jahrzehnten entstanden ist, wird räumlich komprimiert durch eine eingezogene Styroporwand, dahinter geht es frech und schrill weiter mit Promi-Bashing in Goldrahmen, mit Prune Nourrys pechschwarzer heiliger Tochter, eine Hybride aus Mensch und Hund oder ägyptische Totemfigur … weiterdenken, weiterdenken, bunte, aber auch böse schauende Basketbälle an der Wand, wohin soll das noch führen? Vielleicht nach draußen zu JRs temporäreren Foto-Truck vor dem NRW-Forum. In den vergangenen zehn Jahren haben mehr als 400.000 Menschen aus 138 Ländern an dem Projekt teilgenommen. Warum nicht auch ich?
Wonderwalls – Art & Toys | bis 5.2. | NRW-Forum Düsseldorf | 0211 56 64 21 00
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
„Mangas sind bei der jungen Leserschaft die Zukunft“
Leiter Alain Bieber über „Superheroes“ im NRW-Forum Düsseldorf – Sammlung 11/24
What You Like Is in the Limo
„Subversives Design“ im NRW-Forum Düsseldorf – Kunstwandel 03/22
Vom Mehrwert der KI
Diskussion „Learning AI“ im NRW-Forum Düsseldorf – Spezial 02/21
Universelle Wahrheit
Martin Schoeller im NRW-Forum – Ruhrkunst 07/20
Menschen und Farbe
Martin Parr in Düsseldorf – Kunst in NRW 09/19
Mensch und Maschine
Meta Marathon „Robotics“ in Düsseldorf – das Besondere 03/19
Zocken der Zukunft
Next Level in Düsseldorf – das Besondere 11/18
Gegenwart malen
Eine Doppelausstellung von Liu Xiaodong in Düsseldorf – Kunst in NRW 07/18
Da ist mehr als nur die Margherita
„Pizza is God“ im NRW-Forum in Düsseldorf – Kunstwandel 04/18
Botschaft und Effekt
Jan Böhmermanns „Deuscthland“ im Düsseldorfer NRW-Forum – Ruhrkunst 01/18
Spielen kann man überall
Games-Festival „Next Level“ im Düsseldorfer NRW-Forum – Spezial 11/17
Ein Blick in die Zukunft
„Next Level 2017“ im NRW-Forum Düsseldorf – das Besondere 11/17
Aus zwei Sammlungen
Das frühe 20. Jahrhundert im Kunstmuseum Mülheim – kunst & gut 11/24
Hinter Samtvorhängen
Silke Schönfeld im Dortmunder U – Ruhrkunst 11/24
Keine falsche Lesart
Ree Morton und Natalie Häusler im Kunstmuseum Bochum – Ruhrkunst 11/24
Der Künstler als Vermittler
Frank van Hemert in der Otmar Alt Stiftung in Hamm-Norddinker – kunst & gut 10/24
Gelb mit schwarzem Humor
„Simpsons“-Jubiläumschau in Dortmund – Ruhrkunst 10/24
„Weibliche und globale Perspektiven einbeziehen“
Direktorin Regina Selter über „Tell these people who I am“ im Dortmunder Museum Ostwall – Sammlung 10/24
Die Drei aus Bochum
CityArtists in der Wasserburg Kemnade – Ruhrkunst 09/24
„Jeder Besuch ist maßgeschneidert“
Britta Peters von Urbane Künste Ruhr über die Grand Snail Tour durch das Ruhrgebiet – Sammlung 09/24
Orte mit Bedeutung
Zur Ruhrtriennale: Berlinde De Bruyckere in Bochum – kunst & gut 09/24
Denkinseln im Salzlager
Osteuropäische Utopien in Essen – Ruhrkunst 08/24
Ausgezeichnet auf Papier
Günter Drebusch-Preis 2023 in Witten – Ruhrkunst 08/24
Räume und Zeiten
Eindrucksvoll: Theresa Weber im Kunstmuseum Bochum – kunst & gut 08/24