Leder. Rocker. Blut und Macht. Im Dortmunder Schauspielhaus findet mal wieder ein Shakespearsches Schlachtengetümmel statt, die altbewährte Auseinandersetzung zwischen dem fetzigen Macbeth und dem zufälligen Rest der kleinen, damaligen Welt. Der Schauspieler und Regisseur Peter Jordan (Kommissar Uwe Kohnau im „Tatort“) setzt bei seiner ersten Inszenierung in seiner Heimatstadt auf die Bearbeitung von Heiner Müller und auf ein ungewöhnliches Bühnenbild. Eine konisch nach hinten zulaufende Waschkaue voller hochgezogener Kleider zieht den Blick und die Schauspieler in sich hinein. Ob es der Wald vor Inverness oder die Höhle der Hexen wird, dieses Heer von leeren Hüllen wird sich natürlich vergrößern beim Fleisch-vom-Knochen-Schlagen.
Björn Gabriel spielt dafür einen dauerlächelnden Macbeth, der später auch mal die Hose nicht mehr über die Knie ziehen kann und der sich abwenden muss, wenn der wahre König Duncan zeigt, wie man sich als Herrscher zu benehmen hat. Er wühlt im blutigen Plastiksack nach dem Kopf des Thane of Cawdor, eine Trophäe mit der Mcbeths prophezeiter Aufstieg beginnt. Die schwarzen Hexen lenken die Recken, die breitbeinig durch die Kriege stolzieren, dem einen sagen sie den Thron, dem anderen eine Dynastie voraus, nichts ist gelogen, aber eben auch nicht die ganze Wahrheit. Alles für Schottland, oder nicht? Ein Dolch der Einbildung, ein nichtig Blendwerk, das aus dem heiß gequälten Hirn erwächst? „Is It Getting Better?“ Sebastian Graf intoniert auf der Gitarre U2, nebenher mimt er noch Soldat und Diener, eine gelungene, fast durchgehende Soundspur, die überzeugt.
Die Helden, Hexen und Königsmörder tauchen zwischen den Bühnenlamellen auf, rennen hin und her, Lady Mcbeth (Melanie Lüninghöner), eine unschuldige Elfe mit bösem Hunger nach der Krone, ein Gegenstück zum Gatten, der in Dortmund nach Heiner Müller eher widerwillig in den gewalttätigen Kreislauf gesogen wird, aber die Lady weiß auch, wie Helden zu Höherem bekehrt werden. Zu Bett, zu Bett eben. So muss dann auch Duncan folgerichtig selbst die Hand Macbeths in den Eimer mit Theaterblut tauchen, sich den kahlen Schädel färben und in den Armen des armen Mörders sterben, während dem das wohl ziemlich peinlich erscheint. Das, was den König zum Monarchen machte, wird Macbeth nie erreichen, soviel ist da schon klar.
Allerdings lässt Jordan seinen Kollegen zuviel Raum an der Rampe. Die schönen Bilder, oft wie Filmstills arrangiert, reichen für eine stringente Choreografie einfach nicht aus. Hier wäre mehr Wagnis in der Müllerschen Parabel vom mit Blut geleimten Erdball nötig gewesen. Das Krieg und Mord an Völkern heute noch als legitimes Mittel der Machtergreifung, der Machtsicherung und des Machtentzuges dienen, kann man momentan in Nordafrika sehr gut beobachten. Auch da färben sie sich die Köpfe rot, eben nur nicht mit Theaterblut, das Volk interessiert da niemanden. Nur Macht stößt Macht vom goldenen Futtertrog. Die wilden Weiber machen sich bei Heiner Müller ein Spaß daraus, genau diesen blutigen Kreislauf wieder in Gang zu setzen und dabei auch ein paar neue Kleider für ihren Himmel zu gewinnen. Als der sich bühnenmechanisch senkt, müssen alle kriechen, nur der König wandelt über das Klamottenmeer hinweg, erhält das nächste doppeldeutige Orakel, das ihn in Sicherheit wiegen soll, seinen Wahnsinn aber beschleunigt. Macht korrumpiert auch den Geist – Oberst Gaddhafi mit Regenschirm lässt grüßen.
Das Ende ist nah, der Wald marschiert, das letzte Gefecht wird geschlagen zwischen Macduff und Macbeth, der froh ist, dass es endlich zu Ende ist. Doch keiner will die mächtige Krone. Sie landet, obwohl vorbestimmt, mehr beiläufig bei Fleance, Banquos Sohn. Und der weiß noch nicht, welche Bürde er da aufgeladen bekommt. Das Schlachten wird weitergehen, die Welt bleibt mit Blut geleimt, bis heute. Ein interessantes Regiedebüt mit Schwächen.
„Macbeth“ von William Shakespeare in der Fassung von Heiner Müller
R.: Peter Jordan
Do 14.4., Sa 23.4., Fr 29.4. je 19.30 Uhr
Theater Dortmund
0231 502 72 22
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