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Good guy or bad guy? Was hat die Frau mit der Knarre hinterm Gartenzaun verloren? Nichts
Foto: Torsten Silz

Das Wiegenlied von der inneren Sicherheit

25. September 2014

Zu den Waffen. Ulrich Greb inszeniert in Moers „The only thing that stops a bad guy with a gun is a good guy with a gun“ – Auftritt 10/14

Die Harmlosigkeit als Prinzip hat ausgedient. Nichts ist mehr harmlos, birgt wenig Gefahren, oder will uns nichts Böses. Und weil die Umweltbedingungen so sind, wie sie sind, hat die Wachsamkeit wieder oberste Priorität. „The only thing that stops a bad guy with a gun is a good guy with a gun“. Ja, der US-amerikanische Waffenlobbyist Wayne LaPierre weiß wo es lang geht. Diesen Spruch kreierte er lässig am 21.12.2012 auf einer Pressekonferenz nach dem Massaker an der Grundschule in Newtown, wo ein Täter 27 Menschen erschoss. Ursache und Wirkung waren mal wieder geknebelt, denn warum war die Mutter des Amokläufers im Besitz eines halbautomatischen Gewehrs? Die Harmlosigkeit als Prinzip hat eben ausgedient. Soundgarden singen: Black hole sun, won‘t you come? Ulrich Greb hat die Saison am Moerser Theater mit einem musikalischen Stück Sicherheit eröffnet und deshalb das angepeilte Thema Freiheit ausgetauscht, obwohl es natürlich systemimmanent vorhanden bleibt. Dass die Handlung das LaPierre-Zitat zerpflückt, war absehbar. Who the fuck is the bad guy, who‘s the good guy?


Das müssen sich auch Mike und Nancy Henderson fragen und Unerhörtes erleben. Sie leben im kleinen Haus mit Garten mitten in der Moerser Festivalhalle. Der Fernseher läuft, man kramt im Kühlschrank nach Honey-Mustard und spielt mit dem Baby Mike jr. Soundgardens „schwarze Sonne“ scheint, Minister Donald D. hält eine Rede vor der Fernsehkamera, gleich neben dem Gartenzaun. Er faselt von Dingen, von denen wir nicht wissen und von denen, von denen wir nicht einmal wissen, dass wir sie nicht wissen. Nein, Sie haben sich nicht verlesen, vor über zehn Jahren hat Donald Rumsfeld („weapons of mass destruction“) ein Statement losgelassen, das, wenn man es ganz langsam liest, das wahre Ausmaß vom heutigen Ende der Harmlosigkeit schon ahnen ließ. Doch schon – nur niemand wollte es wahrhaben. Unsere Familie da in ihrem Häuschen auch nicht. Mike und Nancy bekommen Besuch. Erst vom Jugendfreund Walker, dann, während sie shoppen sind, von einer Spezialeinheit, die erst das Haus verwanzt und dann, nachdem sie Bier und Grillwürstchen vertilgt haben, die zurückgekehrte, wehrhafte Familie erschießt. Fertig. War was falsch? Eigentlich nichts. Aber es gibt Alternativen.

Die Familie wird wie im Videospiel reloaded, steht wieder auf, wundert sich über das zerschossene Haus, die leeren Bierflaschen, der Nachmittag geht nahtlos weiter, doch die Entscheidungsprozesse ändern sich nicht. Mit seinem klasse Ensemble und einer grandiosen Band unter der Leitung von Otto Beatus, dem unruhigen Ruheständler aus Oberhausen, inszeniert Greb eine musikalische Waffenschau der ganz besonderen Sorte. Revuehaft mit passenden Songs von Nirvana oder den Talking Heads schleicht das absolut Böse durch die Festivalhalle. Dass die theatralische Groteske tatsächlich von der Realität überholt wird und wahrscheinlich noch während wir uns über einen Giraffenkopf amüsieren, macht dieses Stück schwer ertragbar, fordert geradezu den Regelbruch, die Produktion von nachhaltigen Systemfehlern heraus. Im Kühlschrank der Hendersons explodiert eine Sprengladung. Nancy will das alles nicht glauben und zerstört mutwillig die Geschichte. Reload.

Teil drei. Das Haus mit Garten. Doch Nancy erkennt es nicht mehr. Die Stimme aus dem Off, die das Stück begleitet hat, tritt als „Elektrischer Reiter“ (Sydney Pollack, 1979) auf. Die Realität vermischt sich mit der virtuellen Welt. Langsam wird es undurchsichtig mit Wittgenstein-Zitaten und Ulrike-Meinhof-Statements. Dazu noch die Theorie der Doomsday Maschine von Herman Kahn (1960!). Es folgt Order 51. Die Spezialeinheit verbindet die Sprengsätze im Haus mit roten Zündkabeln. Das finale Druckmittel. Doch Nancy ist vom Systemfehler überzeugt und beendet die korrupte Existenz des Politikers und seiner Sicherheitskräfte mit einem Sprung auf die Zündmaschine. Das Haus fällt zusammen, alle sind tot. Das Ensemble intoniert R.E.M.: It‘s the end of the world as we knew it. Ein Theaterabend, der rockig flockig in zwei Stunden die Harmlosigkeit aller Dinge zertrümmert hat, und das am 11. September.

„The only thing…“ | R: Ulrich Greb | Fr 3.10., Sa 11.10., Fr 17.10., Sa 25.10., Sa 1.11. 19.30 Uhr | Festivalhalle Moers | 02841 883 41 10

PETER ORTMANN

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