Eine mysteriöse Sekte hat die Opernwelt erreicht. Einen selbst ernannten Guru gibt‘s auch. Nein, keinen ollen „Freimaurer“ wie Sarastro aus Mozarts „Zauberflöte“, eher eine moderne Figur, vielleicht ein Anhänger der Präastronautik. Ursache der Sekte in Missy Mazzolis zweiaktiger Oper „The Listeners“ ist ein permanenter Brummton, den nur wenige, scheinbar „Auserwählte“ hören können. Auch die Lehrerin Claire und ihr Schüler Kyle hören diese niedrigen Frequenzen, deren Ursache nicht zu finden ist. Allerdings leiden sie eher an ihrer Auserlesenheit und suchen nach Antworten und Hilfe, denn ihr bisheriges Leben bricht nach und nach zusammen.
Im Essener Aalto Musiktheater hat das Werk der amerikanischen Komponistin seine deutsche Erstaufführung. Schon bei seiner Uraufführung 2022 in der Norwegischen Oper sorgte es für großes Aufsehen. Mazzoli ist momentan die bekannteste Komponistin nicht nur einer ganzen amerikanischen Generation. Das Libretto zu „The Listeners“ stammt wie so oft von Royce Vavrek, diesmal nach der gleichnamigen Erzählung von Jordan Tannahill. Darin finden die Lehrerin Claire und ihr Schüler Kyle andere Betroffene, die auch vom penetranten Ton geplagt werden. Die haben sich alle bereits einer Selbsthilfegruppe angeschlossen, die von einem gewissen Howard und seiner „Nummer zwei“ Angela geleitet wird und durch kultische Handlungen Hilfe suggeriert. Spätestens hier sollten die Alarmglocken läuten, denn nach wissenschaftlichen Ursachen will der selbsternannte Heilsbringer-Guru natürlich nicht suchen. Er gefällt sich in der Rolle des Alleinherrschers, unterdrückt jeden Widerstand – und die Frauen. Doch jede Repression findet einmal ein Ventil, das sie beendet. Wie das alles ausgeht, zeigt im Aalto-Theater die Regisseurin Anna-Sophie Mahler. Sie musste zusammen mit der Bühnenbildnerin Katrin Connan einen Raum für den Brummton erschaffen. Ohren zuhalten hilft in einer Oper über niedrige Frequenzen natürlich nicht.
The Listeners | 20. (Öffentliche Probe), 25.1. (P), 1., 9., 28.2., 8., 22.3. | Aalto-Theater, Essen | www.theater-essen.de
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