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Die Swinging-Safari-Show
Foto: Diana Küster

Der überholte Brecht

30. Juni 2011

Vom Klassiker zum furiosen Gegenwartsbild - Theater Ruhr 07/11

Ausgerechnet im grell beleuchteten Supermarkt prallen der Mafioso Arturo Ui(losconi) und die Wirtschaftsbosse des Karfioltrusts aufeinander. Angereist mit einer weißen bayrischen Limousine, beginnt der aufhaltsame Aufstieg des Gangsters zwischen Cornflakes und Waschmittel. Bunt, grell und zeitgenössisch. Puristen mögen das hassen, doch aus der kleinen Rolle des Reporters Ted Ragg (Daniel Stock) macht Greb einen Running-Gag, der keiner ist, sind doch die Medien heute bei jeder Schweinerei vor Ort, sei es Staatsempfang oder G8 Gipfel oder ganz aktuell Griechenland-Rettungsshow.

Wer eine Bundeskanzlerin hat, braucht auch keinen männlichen Ui mehr, folgerichtig spielt den Xenia Snagowski, wunderbar brutal, mit widerspenstigem Rechtsscheitel und ein paar kleinen Hommagen an den seit 16 Jahren hechelnden Hund Martin Wuttke. Der Brownie ist schließlich auch nicht mehr nötig, heute zählt mehr der fiktive Blumenkohl auf den Konten der Cayman Island. Auch wenn anfangs noch etwas Vampir-Blut fließen muss, schnell hat Frau Ui die Vokabeln gelernt, die jeder heute in der Öffentlichkeit benutzen muss, um politisch korrekt „rüberzukommen“.

Da wird die Korruption verteufelt, die man selbst pflegt, da steckt man sich hier und da einmal ein paar Umschläge ein − Ted.tv kann ja nicht überall sein und wird sich hüten. Auch diese Firma ist Ui zu Diensten. Wozu das gut ist, sieht man in Italien. Gut und Böse pflegen die unheilige Allianz, ein heiliger Krieg gegen sie scheint nicht mehr möglich. Das Kapital hat alle Hände voll zu tun, dies zusammenzuhalten. Es ist auch der Dogsborough (Manfred Böll), doch bei ihm funktioniert das nicht so wie bei Hook, dem Gemüsehändler.

Der Tust sackt sich mit Hilfe Uis noch Cicero (das war mal Österreich) ein, dann haben die Saubermänner auch für den Emporkömmling keine Verwendung mehr. Die Swinging-Safari-Show kann in der Supermarkt-Welt beginnen. Ui wird entsorgt, die Warnung vor dem fruchtbaren Schoß geht logischerweise unter, sie ist längst überholt. Das Kapital frohlockt. Wen es danach treffen wird? Uns alle. Die guillotinierten Kohlköpfe prasseln am Ende schon mal aus dem Schnürboden auf die Bühne.

„Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui“ von Bertolt Brecht“ I R: Ulrich Greb | Schauspielhaus Bochum I Fr 1.7., 19.30 Uhr, So 10.7. 19 Uhr, So 17.7. 18 Uhr | 0234 33 33 55 55

PETER ORTMANN

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