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„Moby Dick“
Foto: Martin Bross

Des toten Mannes Umkleidekabine

20. Dezember 2012

Moby Dick im Dortmunder Depot-Theater – Theater Ruhr 01/13

Vier hölzerne Umkleidekabinen und zwei Streifen, mehr ist erst mal nicht auf der Bühne im Dortmunder Depot-Theater. Die gekreuzten Striche sind der Äquator und der Greenwich-Meridian und damit ist für einen alten Segler klar: Das Stück spielt im Golf von Guinea. Dass es dort keine Inseln gibt, auf die sich vier Touristen verirren könnten, sei mal beiseite gelassen. Es ist schließlich eine Geschichte über den weißen Wal, den jeder kennt, und über Melvilles Kapitän Ahab mit dem klackernden Holzbein auf Deck. Das dürfte interessant werden, denn neben John Hustons 1956er Filmversion mit Gregory Peck kannte ich nur das Buch, und das war schon um Längengrade besser als der olle Zelluloid-Streifen.

Gerade noch verklingt das angegraute „Aloha oe“ von Johnny Cash, da geht’s auch schon los in den Multifunktions-Kabinen. Die Protagonisten erscheinen am imaginären Strand, eine Möwe mit Durchfall, Shaggys „Mr. Lover Lover“ und Regisseur Martin Bross verpassen dem 19. Jahrhundert-Epos erst einmal einen recht absurden Einstieg, dennoch scheint sich das Quartett zu langweilen, und so beginnen die Holzkisten zu tanzen, sich neu zu gruppieren, die Spieler werden in neue Rollen transferiert. Die Rahmenhandlung in Herman Melvilles Jahrhundertroman setzt ein. In New Bedford beginnt die Jagd auf das böse weiße Untier, das sich doch eigentlich nur verteidigt hat; es beginnen die Auseinandersetzungen zwischen dem Frischling Ismael, dem Harpunier Queequeg und dem ersten Steuermann Starbuck mit dem durchgeknallten Ahab, der – wie heißt es so schön – verkrüppelt an Leib und Seele ist. Dazwischen lernen alle etwas über die christliche Seefahrt und den Höllenjob Walfang, werden musikalisch amüsiert zwischen den Intros von „Spiel mir das Lied vom Tod“ bis „Sendung mit der Maus“. Bross treibt seine überaus spielfreudigen Spieler über Tisch und Bänke, die immer auch hölzerne Umkleidekabinen bleiben. Es ist ein vergnüglicher und sehenswerter Abend, der die Motive Melvilles fast dadaistisch zerkleinert, um sie dann als halbmusikalische Revue wieder zu karikieren. Dabei bleibt Ahab wie selbstverständlich nur ein Anzug, den immer wieder ein anderer Spieler aus dem Quartett füllen muss.

„Moby Dick“ | Sa 12.1., 20 Uhr | Theater im Depot Dortmund | 0231982 23 36

PETER ORTMANN

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