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Die Erfindung des Körpers

01. Juli 2010

Ruhrtrilogie dritter Teil in Mülheim - Theater Ruhr 07/10

Duschen bei 10 Grad Außentemperatur. Bohnen kochen am Lagerfeuer. Einen Menschen verschwinden lassen. Mit dem Hengst ausreiten. Der „perfekte Tag“ in René Polleschs drittem Teil seiner Ruhrtrilogie fand wieder auf der Mülheimer Brache statt, wo im letzten Jahr bereits die Filmstadt „Cinecittà“ von Bert Neumann gestanden hat. Und dort soll der Schauspieler Fabian Hinrichs nun das Rad neu erfinden. Spärlich bekleidet, mit endlosen Textmengen und großen Gesten erklärt er die existenzielle Lüge der menschlichen Evolution, die zwar Hunderte von Gegenständen erfunden habe, aber über den wichtigsten Teil ihres Daseins so gut wie nichts wisse. Und so ist der perfekte Tag, den Hinrichs vollmundig zu Beginn ankündigt und der bis in die Morgenstunden reichen soll, nicht das Hawaii in Mülheim, er umrahmt das ewige Unbehagen vor einer Gesellschaft, in der die Lüge perfektioniert wurde und funktioniert, obwohl alle ihre Unwahrheit erkennen.

Nur wenn der Zuschauer also die Nicht-Wahrheit hinter den Kulissen bemerkt, kann er zuhören, hören, was Pollesch mit „du verstehst all das, was zum Verstehen und zum Hören und zur Kommunikation beitragen soll, aber du hörst mich nicht abseits dieses Verstehens“ tatsächlich meint. Nämlich das brutale Kommunikationslose zwischen den jeweiligen Körpern. Und damit ist der letzte Teil des über drei Jahre gespannten Open-Air-Projekts, in dem die Stadtlandschaft Ruhr und auch die Kulturhauptstadt nur eine tragende Nebenrolle spielen, das Ergebnis der zwei Tatbestandsbeschreibungen vorher. Quasi die Synthese aus dem, was sich dem Konsum entzieht und dennoch dazu beiträgt, ihn zu ermöglichen.

Fabian Hinrichs ist dafür der perfekte Protagonist. Bert Neumann der perfekte Bühnenbildner. Der Schutt einer untergegangenen Industrieregion der perfekte Untergrund. Dem Tod gehört natürlich die Schlusssequenz der Arbeit über unsere Gesellschaft der Lügen. Und auch Polleschs Zukunftsvision. Wir müssen zur nächsten Gesellschaft übergehen, das Rad neu erforschen und erfinden. Dann können wir „einen anderen Typ der Individualität erfinden. Wesen, die nicht sklavisch an der Wahrheit kleben“. Und das hat nichts mehr mit der großartigen Ich-Erfindung zu tun, die vergessen hat, wofür ihr Herz überhaupt schlägt. Die Bohnen auf dem Lagerfeuer sind da längst verbrannt, der verschwundene Mikrofongalgenträger hat sich aus der Zauberdecke davongestohlen. Ein perfekter Abend ist zu Ende.

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