Pumpender Bass. Stroboskop-Blitze. Schillers „Räuber“ sind los. Wie immer in Leipzig, wo sie eigentlich studieren sollten. Aber Scheiß Machen und Bierdosen Killen macht noch mehr Spaß. Also vertreiben sie sich die Zeit auf Öko-Demos und Partys, die am Ende schrecklich eskalieren und doch Mut machen für noch mehr Gewalt. „Räuber Spielen“ geht nur bis zu einem gewissen Punkt, danach setzen Mechanismen ein, die zeitlos immer wieder in Katastrophen führen.
Regisseur Frank Hörner hat im Kinder- und Jugendtheater Dortmund Schillers Jugendwerk zwischen Pappkartons auf der Bühne inszeniert, hat den wilden Protagonisten dabei viel Fläche gelassen, während Bauten und Wälder im Märklin-H0-Format häppchenweise per Mini-Videofotoapparat erschlossen werden, manchmal auch als Portraitstudie der Spieler oder heimliches Voodoo-Video-Begräbnis. Alles nur Mittel zum Zweck für eine Auseinandersetzung mit Männerbildern, die sich kaum unterscheiden zwischen damals und heute:
Es geht um enttäuschte Liebe, um jugendlichen Freiheitswillen und natürlich wie immer um Kohle. Zwei richtige Brüder (Till und Nils Beckmann) spielen in Dortmund Franz und Karl, die sich nicht mögen, um die Gunst des Vaters buhlen und beide in Amalia (Hanna Schwab glänzt nicht nur als Geliebte und Räuber, auch mit eigenem Songtext) verliebt sind. Dumm nur, dass der ältere Karl nicht nur das Anrecht aufs fette Erbe, sondern auch die schöne Frau besitzt. Also zieht Franz seine Fäden, entzweit die Familie und sucht, alles an sich zu reißen, während Karl von ihm getäuscht zum Räuberhauptmann wird. Am Ende geht dann alles schief, und die meisten sind – auch wie immer – tot. Die bekannte Story hat Hörner zusammen mit den Jugendlichen gesamplet, neu abgemischt und auf Videoclipniveau gehoben. Die interessanteste Figur aber ist Spiegelberg (Till Brinkmann spielt witzigerweise auch Vater Mohr) geworden. Er ist beleibe nicht nur der leicht sadistische Spaßmacher mit Hang zur Bierdose in der Gruppe. Er ist der glatzköpfige Brandstifter, der eigentlich die Idee zum kriminellen Aufbruch hatte und auch dafür sorgt, dass Karl dem Gruppenzwang nicht entkommen kann. Ihn sollten die Jugendlichen (ab 14) besonders gut beobachten.
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