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„Satt”
Foto: Matthias Stutte

Die Mauer muss weg

24. November 2011

„Satt“ in der kleinen Essener Casa – Theater Ruhr 12/11

Eine graue Mauer (Bühne: Lisa Marie Rohde) blockiert den Blick in der Essener Casa. Ein Tisch, ein Stuhl. Das war‘s. Die Wand begrenzt Wohnung, U-Bahn-Schacht und Mülldeponie zugleich. Vor und dahinter spielen sich Alltagszenen aus Bundesdeutschland ab. Moritz Peters inszeniert in der Essener Casa „Satt“ von der jungen Marianna Salzmann, die aus Russland immigrierte. In dem fast autobiografischen Stück geht es auch um eine russische Einwandererfamilie, die an der Realität zerbricht. Sie werden nicht heimisch in unserem „Wunderland“, in das die alleinstehende Mutter Larissa (Jele Brückner) so viele Hoffnungen setzte. Ihre beiden Töchter verlieren sich im Sog der bunten Konsumwelt.

Goscha (Floriane Kleinpaß) kann der „Leitkultur“ nichts abgewinnen, will sich nicht assimilieren, lernt stattdessen von Stef (Jannik Nowak) das Containern und U-Bahn-Surfen und hält sich ansonsten mit aggressiver Aufmüpfigkeit über Wasser und fern der Familie. Ihre Schwester Su (Sibylle Mummenthaler) hat den zeitgenössischen Weg in die Isolation gefunden. Ihre Welt ist das Internet, der Cyberspace, der einzige Ort, an dem sie kommunizieren kann und Freunde findet wie den kleinen Jungen, der per Webcam Selbstmord begeht. Die bodenständige Larissa kann ihren Töchtern nicht mehr folgen. Großartig teilnahmslos nimmt sie den Lauf der Katastrophe zur Kenntnis, ohne Energie, dagegen etwas tun zu können. Beide Töchter werden sterben.

Das Problem bei dieser Inszenierung ist insbesondere die anvisierte Untersuchung der Sehnsucht nach Integration. Hier schießt die Autorin über das Ziel hinaus, mischt Gegenwartsprobleme aller Jugendlichen mit denen der zugereisten. Schwierigkeiten bei der Selbstfindung ist kein originäres Migrationsproblem, dort werden sie nur verstärkt. Auch die Holzhammer-Kritik am Konsumstaat von Goscha ins Publikum geht leider ins Leere, und Susannas tödliche Flucht in die virtuelle Manga-Welt ist eben auch kein spezieller Fall aus der Einwanderungsproblematik. Was wirklich hängenbleibt, ist die gut gespielte Unfähigkeit der Elterngeneration, verbal und seelisch mit diesen neuen Planeten umzugehen. Deutschland einig Vaterland hat damit aber herzlich wenig zu tun.

„Satt” I Sa 10.12., 19 Uhr I Casa Essen I 0201 812 22 00

PETER ORTMANN

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