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Aline Bosselmann
Foto: Hakki Topcu

Non-binär und nicht vergoethet

03. Juni 2024

„Mein Blutbuch“ in der Essener Casa-Theaterpassage – Prolog 06/24

Der Baum ist eine mächtige Pflanze. Unverrückbar steht er sein Leben lang an einer Stelle, reckt der Sonne seine Krone entgegen, während die Wurzeln tief im Boden Nährstoffe saugen. Die Mythologie kennt zahllose Lieder über ihn, Dichter haben ihn zu allen Zeiten verewigt. Jetzt hat es einer von ihnen wieder in die Literatur und auf die Bühnen geschafft. Eine Blutbuche, eine Spielerei der Natur mit der Rotbuche, deren Laub im Frühjahr eben feurigrot wird, die aber dennoch zur gemeinsamen Familie der gemeinen Buchen (Fagus) gehört. Ein solcher Baum stand im Garten der Großmutter des Schweizer Autors Kim de l‘Horizon. In Erinnerungen an seine Kindheit tauchte er immer wieder auf – de l’Horizon setzte ihn ins Zentrum seines preisgekrönten Romans „Blutbuch“. Darin beschreibt ein queeres Kind seine angstvolle Suche nach dem eigenen Ich. Es ist auch eine Reise durch die Geschichte der eigenen Familie des selbst non-binären Autors – als seine Großmutter an Demenz erkrankte, begann er mit dem Schreiben am Roman, eine Arbeit, die elf Jahre andauern sollte.

In Essen wurden die queeren Perspektiven auf Mensch und Welt frei nach Kim de l’Horizon in eine Inszenierung verflochten, in einer eigenen Fassung von Aline Bosselmann, Ceren Kurutan und dem Stadt-Ensemble Plus. Das sind Laiendarsteller:innen und einzelne professionelle Schauspieler:innen. Nur einmal im Jahr wird gemeinsam in einem intensiven Probenprozess eine Spielplan-Produktion erarbeitet. Damit soll auch eine Grundlage geschaffen werden für die, die einmal beruflich in den Theaterbetrieb einsteigen und sich hier ausprobieren wollen. In dieser Spielzeit ist das eben „Mein Blutbuch“. In einem gleichnamigen Buchclub treffen sich jetzt in der Casa-Theaterpassage ein Dutzend junger Leute und folgen dem Autor auf seiner Reise zu den Traumata seiner Familie, die sich wohl bis ins tiefe Mittelalter verfolgen lassen. Gleichzeitig nehmen sie auch Teil an seiner Flucht aus der binären Welt seiner eidgenössischen Umgebung. So will das Stadt-Ensemble mit Schreibmaschine, E-Bass und Choreografien in der Stadt-theatralen Heterowelt für Furore sorgen.

Mein Blutbuch | 15. (P), 18., 27.6. | Casa-Theaterpassage, Essen | 0201 812 22 00

Peter Ortmann

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