Man muss Werner Schwab auch mal beim Worte nehmen und öffentliche Verkehrsmittel benutzen, denn „der Herrgott ist ein Autobus, der fährt dich überall hin“. Heiliger Stuhl, endlich mal wieder „Die Präsidentinnen“ in einem Theatersaal. Jasper Brandis installiert den Abend in der kleinen Essener Casa. Wenn man noch einmal Schwab wörtlich nimmt, sitzen die Zuschauer mit im Raum, denn des Meisters Regieanweisung fordert für die Dekoration eben Plunder, der im kleinen Theater der Stadt, die einmal Kulturhauptstadtvertreterin sein wollte, eben im Zuschauerraum hängt, Fotos, Souvenirs, sehr viel religiöser Kitsch, gerahmte Kalenderbilder, Gefäße usw., alles schön, alles da.
Auf der Bühne sitzen beim Entree bereits die drei Protagonistinnen am Küchentisch und starren in einen erbärmlich kleinen Fernseher, in dem der heilige Ratzinger gerade eine Rede hält, voller Andacht und Ehrfurcht, aber immer bemüht, den eigenen Platz auf der viel zu schmalen Couch zu behaupten. Ein schönes Bild, symbolisiert es doch bereits hier die eigentliche Haltung des Trios, die innerlich bereits den Widerstreit bei aller gespielten Harmonie sucht. Diese Frauen wollen auf ihre ganz persönlichen Träume nicht verzichten, trotz aller aufgesetzten Frömmigkeit, trotz aller offensichtlichen Armut. Die Inszenierungen von „Die Präsidentinnen“ – Schwabs Dauerbrenner aus den 1990er Jahren – leben immer von der Qualität der drei Schauspielerinnen. Brandis hat in Essen mit Ingrid Domann (Erna), Ines Krug (Grete) und Bettina Schmidt (Mariedl) ein infernalisches Schwab-Trio beisammen, das nicht nur die schwabische Kunstsprache, sondern auch seine Choreografie zwischen Tisch und Couch und der Postkartenlandschaft-Videoleinwand perfekt beherrscht. Da merkt man, wie gut der Text vom genialen Österreicher, der auch Künstler war, wirklich ist. Und Brandis lässt sie beim Erzeugen der Figuren auch körperlich ackern, die Anstrengung ist spürbar, wie Schwab es wollte.
Erna, die katholische Mindestpensionärin, und Grete, die immer noch „offenherzige“ alte Hippe mit viel zu viel Schminke, können eigentlich mit der jüngeren Mariedl kaum warm werden. Zu skurril ist deren Broterwerb als Gelber Engel der Toilettenverstopfung. Dennoch ist sie es, die den ersten Konflikt zwischen den beiden Pensionistinnen mit einem stillen Lied wieder schlichtet, was zum gemeinsamen Fest mit einer Flasche Wein führt. Leicht fällt ihnen das nicht, „denn es ist schon schwer, einen Lebensgenuss aufzunehmen, wenn einem das Sparen in das Fleisch und in das Blut übergegangen ist“ (Erna). Dennoch lockert der Wein die Zungen, und die drei vom Leben Gebeutelten träumen sich in eine bessere und bizarre Zukunft. Grete will noch einmal jung sein und den feschen Tubaspieler nebst Bauernhof heiraten, Erna favorisiert lieber den frömmlerischen Schlachter inklusive Metzgerei. Mariedl dagegen erhebt die Entstopfung von Aborten zu einer heiligen Handlung, gerät außer Kontrolle, nimmt den gesponnenen Faden der beiden Alten auf und zerreißt deren glückliche Träume in Stücke. Alles Schöne soll im Desaster enden. Das nehmen die zwei, die ja sonst nichts haben, übel. Wie es ausgeht? Schauen Sie unbedingt selbst und fragen Sie nach den original Hinterlader Seelentröstern.
„Die Präsidentinnen“ | So. 20.1. 20 Uhr | Casa Essen | 0201 8 12 22 00
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