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Die perfekte Verblendung

01. Juni 2010

3. Teil der Ruhrtrilogie von René Pollesch in Mülheim - Theater Ruhr 06/10

Es ist der gesellschaftliche Verblendungszusammenhang, den René Pollesch umtreibt. Es ist der gesellschaftliche Verblendungszustand, den er unermüdlich unter dem Volk zu erklären sucht, und es ist der gesellschaftliche Verblendungszusammenhang, der eine rationale Auseinandersetzung mit der jetzt schon gescheiterten Kulturhauptstadt-Eventlogik konsequent verhindert. Dabei ist es laut Pollesch doch ganz einfach. Der Motor der kapitalistischen Ökonomie beruht auf einer selbstbezüglichen Kommunikation. Hier beziehen sich Preise nicht auf Waren, sondern selbst wieder auf Preise, was schließlich nicht in der Repräsentation, sondern in der De-Präsentation von Welt kulminiert. Hier ist Solvenz und Insolvenz dasselbe. Die Unterscheidung von realen und fiktiven Werten wird obsolet, und zwar spätestens seit das Kreditgeld aus einer Schöpfung aus Nichts besteht.

Auch in seiner „Ruhrtrilogie“ geht es um die fortschreitende Ökonomisierung aller Lebensbereiche, die Privatisierung des öffentlichen Raumes, die Idee der bürgerlichen Familie oder die Auflösung des menschlichen Subjekts im Medienzeitalter. Die Ruhrtrilogie ist ein über drei Jahre gespanntes Open-Air-Projekt, in dem die Stadtlandschaft Ruhr eine tragende Nebenrolle spielt. Und sie trägt sogar soweit, dass es hier möglich ist, in einer „perfekten“ Nacht alle drei Tage hintereinanderweg zu sehen, zu konsumieren, was sich dem Konsum entzieht. Das gibt es nicht einmal in der Bundeshauptstadt.

Nach der Kulisse der „Cinecitta aperta“, der offenen römischen Filmstadt, wo im Hintergrund der Sozialwohnungsbau der Mülheimer Innenstadt graute, wo bayerische Premium-PKWs und Wohnmobile sich eine Schlacht auf der Brache lieferten, geht es jetzt in den Ringlokschuppen, ein für die Kultur umgewidmetes Industrieartefakt. Das Grundmotiv seiner Arbeiten über das „verfickte Leben“ ist der endlose – scheiternde – Versuch aller Beteiligten, sich in einer unübersichtlich gewordenen Lebenswelt zurechtzufinden. Polleschs Texte rezitieren weder definierte Figuren, noch herrscht per Dramaturgie eine zusammenhängende Geschichte vor. In rasender Geschwindigkeit scheinbar rein assoziativ prasseln Filmzitate und philosophische Denkmodelle von Agamben bis Baudrillard auf die Zuschauer ein. Was bedeutet da noch „kultureller Strukturwandel“?

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