Freitag, 14. Februar: Die Berlinale ist das einzige weltweite A-Festival, das sich rühmen kann, schon seit rund drei Jahrzehnten regelmäßig Preise für Filme mit schwul-lesbischer oder queerer Thematik aus ihrem Wettbewerbsprogramm zu verleihen. Was einmal als intime und spontane, inoffizielle Auszeichnung seinen Anfang nahm, ist 28 Jahre später zu einem der Highlights der Berlinale aufgestiegen, einer feierlichen Gala mit Musik- und Artistikeinlagen, die im Fernsehen übertragen wird und es längst in den Kanon der offiziellen Berlinale-Preise geschafft hat. Dieses Jahr feierte man den queeren Film und seine Jahrgangsbesten bei einer Zeremonie in der Komischen Oper in Berlin, an der neben Stammgast Klaus Wowereit, dem offen schwulen regierenden Bürgermeister von Berlin, auch seine ebenfalls geouteten (Ex-)Amtskollegen Ole von Beust (Hamburg) und Bertrand Delanoë (Paris) teilnahmen.
Der erste Preis des Abends, der Teddy für den besten Kurzfilm, ging an Ray Dibs Beitrag „Mondial 2010“, bei dem ein libanesisches Schwulenpaar bei einem Ausflug nach Ramallah mit der Fußballweltmeisterschaft konfrontiert wird. Auch Bruce LaBruce, Entfant terrible aus Kanada, überzeugte die neunköpfige, international besetzte Teddy-Jury, und erhielt für „Pierrot Lunaire“ einen Spezialpreis zugesprochen. Ebenfalls mit „Special Teddy Awards“ wurden zwei Pioniere des deutschen Queer Cinemas geehrt, die aus Österreich stammende Kamerafrau und Regisseurin Elfi Mikesch („Was soll’n wir denn machen ohne den Tod“) und Rosa von Praunheim, der 1971 mit „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ den Grundstein für die hiesige Schwulenbewegung gelegt hatte. Letzterer war bei der Gala allerdings nicht persönlich anwesend, da er durch eine Erkrankung ans Bett gefesselt war. An seiner Stelle nahmen nach der leidenschaftlichen und sehr privaten Laudatio von Panorama-Leiter Wieland Speck schließlich von Praunheims langjährige Mitarbeiter und Lebensgefährten Mike Shephard und Oliver Sechting den Preis entgegen.
Emotionaler Höhepunkt des Abends war die Überreichung des „David Kato Vision & Voice Awards“ an die kambodschanische LGBTI-Aktivistin Sou Sotheavy, deren sichtliche Freude das Publikum zu spontanen Standing Ovations animierte. Die Hauptpreise in den Kategorien „bester Spielfilm“ und „bester Dokumentarfilm“ bildeten schließlich den Abschluss und Höhepunkt der Preisverleihung. Stefan Haupts Mischform aus Spiel- und Dokumentarfilm „Der Kreis“ konnte sich als „bester Dokumentar- oder Essayfilm“ gegen die Konkurrenz behaupten. Er schildert darin die Probleme eines in den 50er Jahren in Zürich äußerst populären Schwulenclubs mit angeschlossener Zeitung, dessen Protagonisten den Preis sichtlich erfreut mit in Empfang nehmen durften. Auch im Bereich „Spielfilm“ gewann ein eindeutiger Publikumsliebling, der Brasilianer Daniel Ribeiro für sein Spielfilmdebüt „Hoje Eu Quero Voltar Sozinho“ (The Way He Looks). Er hatte darin die Idee eines 2010 entstandenen Kurzfilms auf Spielfilmlänge gebracht und Zuschauer wie Kritiker mit seiner Geschichte um einen verliebten blinden Jungen gleichermaßen begeistern können.
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