Falsches Essen, falsches Auto, falscher Job, falsche Stadt, falscher Partner. Die großen und kleinen Fehler und Fehlentscheidungen im Leben, man muss sie erst einmal machen und treffen, um sie hinterher bereuen zu können. Doch wie fängt man dieses Großprojekt Leben an, wo soll es hingehen, wo ist der Sinn, ist die Richtung vielleicht falsch und überhaupt – was nun?
Von dieser Auf- und Umbruchsituation erzählt die Stückcollage „Wohin?“, die Regisseurin Isabel Stahl und Theaterpädagogin Christine Köck zusammen mit zehn jungen Erwachsenen zwischen 13 und 21 Jahren erarbeitet haben. Der Handlungsrahmen ist schnell umrissen: Ein Jahr nach dem Abitur lädt der angehende Kosmonaut Leo zum Klassentreffen ein. Es wird berichtet und verglichen und die neu gewählten Lebenskonzepte erstmals auf den Prüfstand gestellt, wovon die meist monologisierenden Episoden zu berichten wissen. Die strebsame Ronja lernt weiterhin verbissen, während Hannes die Einschreibefrist an der Uni verpennt hat, Ellen wird schon Mama, und über all dem schweben die großen, schweren Fragen des Lebens, auf die auch später keiner eine Antwort hat: Doch lieber vernünftig sein oder besser dem Herzen folgen? Geld verdienen oder Ideale haben? Dem Weg folgen oder den eigenen gehen? Schnell sprinten oder treiben lassen? Es war eine kluge Entscheidung dieser Inszenierung, darauf keine Antwort zu geben, dafür aber die Angst spür- und den Druck greifbar zu machen, so früh so viele Entscheidungs- und damit eben auch Fehlermöglichkeiten zu haben.
Der Gefühlsmix aus Aufbruchsstimmung und unangenehmem Schwebezustand wird auch in der sehr charmanten Videoinstallation deutlich, in der sowohl die DarstellerInnen selbst als auch ältere Semester zu Wort kommen. Die zweifelsohne ungemein privilegierte Position, sich nach dem (bestandenen) Abitur relativ frei von Geldzwängen für einen Lebensweg entscheiden zu dürfen, wird leider überhaupt nicht reflektiert. Den tobenden Premierenapplaus hat das nicht gestört.
„Wohin?“ I KJT Dortmund I 0231 502 72 22
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