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Mal eine andere Iphigenie in Mülheim
Foto: A. Köhring

Ein Korb für Thoas

26. Mai 2011

Eine „Iphigenie auf Tauris“ in Mülheim - Theater Ruhr 06/11

Still, ganz still ist es auf Tauris, wohin es die Königstochter Iphigenie verschlagen hat, nur das Rauschen des Meeres ist zu hören und zu sehen. Per Video auf Stoffbahnen stürzt sich ab und zu glühende Lava ins Meer, erkaltet unhörbar zischend. Die Tore in den Garten des Raffelbergparks sind geöffnet, wind weht über die Bühne des Theaters an der Ruhr in Mülheim. Hinein tasten sich zwei Masken, suchen hier und da, zucken zusammen, Jammerlappen die gefangen wurden, die bei jedem dritten Wort über Götter zusammenzucken. Pylades und Orest auf Tauris. Dort wo eben noch König Thoas im Designer-Sportdress ein paar Körbe mit dem Basketball versucht hat.

Iphigenie auf Tauris. Diana sei dank. So beginnt Goethes heroischer Versuch, die Humanität in die Köpfe seiner Landsleute zu verankern, der alte Geheimrat konnte sich das während seiner Italienreise auch leisten, der Rest hungerte so vor sich hin. Iphigenie will nach Hause, nach Griechenland, kein Bock auf Barbaren auf der Krim, selbst wenn der König sie heiraten will und schon mal ein adidas-T-Shirt schick verpackt hat. Die beiden Masken habe sich als Bruder und Freund erwiesen, die das Standbild hinterm Sperrband stehlen wollen und nun auf Gedeih und Verderb dem adeligen Basketballer ausgeliefert sind, der gerade durch den Park hechelt und „Blut, Blut, Opfer, Opfer“ brüllt. Es fürchte die Götter das Menschengeschlecht.

Albrecht Hirche nutzt das Zentralabitur, um vielleicht einmal mit dem Mythos des zeitgenössischen Humanismus aufzuräumen, unter dessen Fahne endlose Kriege geführt und Besitzstände gesichert werden. Der hehre Mensch kann sich dieses Märchen einfach nicht mehr leisten. Denn siehe da, kaum sehen Pylades und Orest auf Tauris das kleine Licht am Ende des Tunnels, da wechseln sie auch die Farbe. Irgendwie sind die Griechen doch besser als die Hinterwäldler im Trainingsanzug. Und dem stolzen Thoas, der sich von Iphi einwickeln ließ, ergeht es wie zahlreichen Völkern auch, er wird am Ende von den Herrschaften mit süffisantem Grinsen ausgeplündert. Ob diese außergewöhnliche Deutung zensurenkompatibel ist?

„Iphigenie auf Tauris“ von Johann Wolfgang v. Goethe I R: Albrecht Hirche I Theater an der Ruhr, Mülheim I Mo 20.6., Di 21.6. je 18 Uhr I 0208 599 01 88

PETER ORTMANN

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