Das Bühnenbild ist mehr Fragment als Büchners Text über den einfachen Soldaten Woyzeck. Ein paar undurchsichtige Kunststoffbahnen, eine kleine schwarze Bank, damit inszeniert der junge Regisseur Jakob Arnold am Bochumer Prinzregenttheater Georg Büchners Dramenfragment mit nur zwei Schauspielern. Das vom Autor anvisierte Loch in der Natur wird dabei Wirklichkeit. In einer Welt, in der man nur noch denkt, lebt Woyzeck scheinbar in einem einzigen Traum. Alle Figuren um ihn herum scheinen dieser imaginären Welt entsprungen, fallen heraus aus dem Nebel und verschwinden wieder darin. Arnold inszeniert in Wellenbewegungen von hinten nach vorn. Sophie Killer hetzt gemach mit wechselnden Rollen durch die Folien, von Marie, der Frau in Rot, über den schwarzen Hauptmann, bis hin zum fetten, im Fat-Suit eingekeilten Doktor, der die Erbsen auf der Bühne lieber selbst in sich hineinstopft. Diese Reduktion des Stückes treibt den bösen Schabernack der Schizophrenie grandios auf die Spitze.
Für Märchen und mehr hat Helge Salnikau als Woyzeck keine Zeit mehr, widerwillig rasselt er das Märchen vom armen Kind herunter. Penetrant sucht er dagegen die Peripherie seiner Gedanken, und was er da findet, macht ihn froh oder zornig, aber meistens unvorsichtig, denn er spricht mit dem einzigen Freund Andres im Nirgendwo, er hüpft und salutiert, selbst wenn er allein auf der Welt ist und sich unfreiwillig flüsternd „What a Wonderful World“ abringt. Der Teufel in Rot wartet schon auf seine Seele, die er früh achtlos verschenkt. Mit dieser Regie entzieht Arnold Büchners Text dem 19. Jahrhundert, reduziert die Figur Woyzeck geschickt auf dessen wechselnde Persönlichkeiten im Kopf, die Salnikau auch glänzend umsetzt, nie hat man das Gefühl, dass die ihn umgebenden Figuren und er einen tatsächlichen Dialog führen – selbst der Mord verschwindet im milchigen Nichts der Bühne. Als er zu Beginn das Kleid Maries zusammenfaltet, war die Handlung bereits beendet, nur die Geister der auserwählten Personen eroberten die Szenerie. Es war ein starker Abend, an dem nur die Oberstufenschüler im Publikum verzweifelten.
„Woyzeck“ | R: Jakob Arnold | 27.1., 17.2. 19.30 Uhr, 28.1., 18.2. 18 Uhr | Prinzregenttheater Bochum | www.prinzregenttheater.de
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