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Etwas Schein und Sein

29. Januar 2011

„Das Interview“ in Bochum - Theater Ruhr 02/11

Sie ist ein abgebrühter Serienstar, er ein abgekochter Kriegsberichterstatter. Was bleibt von Wahrheit, Schein und Existenz, wenn diese zwei als rivalisierende Medienprofis aufeinanderprallen? Der Film „Das Interview“ (NL, 2003) von Theo van Gogh hat die Theaterbühnen der Republik erreicht. 2006 wurde die Bühnenfassung uraufgeführt. Der Stoff drängte sich quasi auf. Er steht als Metapher für Macht, korrumpierte Haltungen und zunehmenden Realitätsverlust aller.

Sibylle Broll-Pape hat das Stück nun auch im Bochumer Prinz Regent Theater inszeniert. Der Zuschauer ist nah am Geschehen. Nah dran am Hauen und Stechen, am Lieben und Hassen, an der gegenseitigen Verletzungsorgie. Stephan Ulrich ist der genervte Politikjournalist Pierre Peters. Er hoffte auf eine Berichterstattung über die angeschlagene Regierung, er muss aber das Sternchen und blonde Busenwunder Katja Stuurman interviewen. Widerwillig steht er vor der Villentür, ist schon genervt vom Warten. Rahel Weiss spielt das angebliche Dummchen, deren Körper nur aus „Luft, Sägemehl und Silikon" bestehen soll und von der der im Kriegseinsatz erprobte und verwundete Peters nichts weiß außer Boulevard-Männerphantasien. Doch bei Rotwein, Koks und Pizza kommt man sich scheinbar näher. Das Lauern beginnt. Schnell hat der Zuschauer begriffen, dass hier zwei Schwergewichte des Psychokriegs am Werke sind.

Sibylle Broll-Pape choreografiert die beiden Raubtiere in einem durchgestylten Käfig ohne Ausgang. Dabei kann sie sich auf ihre ausgezeichneten Protagonisten verlassen, deren wilder Veitstanz über Bett und Couch eigentlich nach einem Happy End schreit. Denn mehrfach wird es amourös, scheint sich ein dünnes Band zwischen den beiden zu bilden, die sich so ähnlich und doch so fremd sind, die nicht nur den Geschlechterkampf beherrschen, sondern auch die berufsspezifischen Boshaftigkeiten. Dabei bleiben Aufnahmegerät und Videokamera immer greifbar. Als Waffe, als Drohung und als Prisma im Videofilm. Am Ende sind beide reduziert auf einen ausgebrannten Extrakt im Reagenzröhrchen, doch nur ein Mensch wird dieses Psycho-Laboratorium unversehrt verlassen. Die Zuschauer glücklicherweise auch.

„Das Interview“ I Mi 2.2., 20 Uhr I Prinz Regent Theater Bochum I 0234 77 11 17

PETER ORTMANN

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