Mit einer Parade wird die Rückkehr der Puppen gefeiert. Wie die Menschen mussten sie in der Pandemie wohl in Quarantäne bleiben. Doch in diesem Jahr gibt es in Bochum nach vier langen Jahren wieder das Figurentheater der Nationen (FIDENA), ein Festival, das nicht weniger als die Welt selbst befragen will. Am ersten Samstag im Mai geht es nach der Parade gleich los mit einer französischen performativen Bühnenshow einer weltweit bekannten hölzernen Puppe, die gern ein richtiger Junge werden wollte („Pinocchio (live) #2“ von La Compagnie S'Apelle Reviens). Allerdings wird auf der Bühne die angestrebte Mutation in beseelte Materie ins Gegenteil verkehrt. Anschließend wandeln Ronnie Burketts skurrile Marionettenwesen durch die Jahrhunderthalle und suchen Geschichten aus einer vergangenen Zeit, als ein Wort noch geschrieben wurde.
15 Inszenierungen an neun Spielorten quer durch das Ruhrgebiet bilden das theatralische Gerüst des renommierten Festivals. Auch zwei deutsche Erstaufführungen und eine europäische, dazu noch eine Uraufführung zeigen, dass es im zeitgenössischen Figurentheater – und das bereits seit über 60 Jahren – keine Grenzen für Fantasie und Objekte gibt, die zum Teil in dystopischen Welten ihre Geschichten erzählen. Um dorthin zu gelangen, gibt es in Anna Kpoks Live Game die Tourismusgesellschaft Paranoia Tours. Die Zuschauer werden – wie auch immer, aber natürlich CO2-neutral – zu den aufregendsten Sternen im Universum geflogen, Philip K. Dicksches Hochleistungsandroiden (ob die auch von elektrischen Schafen träumen?) begleiten die Reisegesellschaft. Das dürfte auch nötig sein, denn das Raumschiff stürzt in „Lost in Paranoia-Land“ ab.
Aber die FIDENA bewegt sich nicht nur zu extraterristischen Planeten, auch die Märchenwelt kommt nicht zu kurz. Wie hieß denn die junge Dame aus dem Grimmschen Kosmos bloß, die mit sieben Zwergen hinter den sieben Bergen losgerockt hat, gleich nachdem sie ermordet werden sollte? Es soll damals auch etwas mit einem vergifteten Apfel zu tun gehabt haben. Nun, die Berliner Puppenspielerin Anna Wagner-Fregin hat aus der Geschichte eine neue Mixtur gezaubert und für die jüngsten Zuschauer (ab 4 Jahren) einen Hund namens Paco eingebaut. Die werden sicher schon wissen, wie das arme Mädchen hieß.
FIDENA 2022 | 7.-18.5. | Bochum, Hattingen, Recklinghausen | 0234 477 20
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