Baarìa
Italien 2009, Laufzeit: 150 Min., FSK 6
Regie: Giuseppe Tornatore
Darsteller: Francesco Scianna, Margareth Madè, Angela Molina
Über vier Jahrzehnte spannt sich die Erzählung über eine italienische Familie, in deren Zentrum Peppino steht, der sich als ambitionierter Kommunist gegen ehrlose Politiker zur Wehr setzt.
Der kleine Peppino wächst in den 1930er Jahren bei seinen Eltern in der ländlichen Provinz auf. Die ärmlichen Verhältnisse erlegen dem Jungen bereits vielerlei Arbeit auf: Oliven ernten, Kühe melken oder auch mal Ziegen hüten, was Peppino über Wochen von seinen Eltern trennt. Zum Ausgleich entführt ihn sein politisch ambitionierter Vater Cicco gelegentlich ins Stummfilmkino. Das idyllische Stadtbild wird getrübt von Mussolinis uniformierten Faschisten, die Regimekritiker beobachten und festnehmen. Zugleich fallen skrupellose, von der Mafia unterstützte Großgrundbesitzer über das Land her. Ein paar Jahre später ist das Land vom Faschismus befreit – die politischen Machenschaften ehrloser Männer aber bleiben unverändert. Der herangewachsene Peppino (Davide Viviani) tritt in die Kommunistische Partei ein. Und er verliebt sich in die Schneiderin Mannina (Margareth Madè). Gegen den Widerstand ihrer Eltern sucht das junge Paar sein Glück.
Baarìa ist die Heimatstadt des preisgekrönten Regisseur Giuseppe Tornatore. Der Film ist seine Liebeserklärung an diesen Ort – und an seine Familie: In seinem bisher persönlichsten Film erzählt Tornatore episch von drei Generationen, die zwischen Faschismus, Armut und Protest aufwachsen. Das Ergebnis ist Kino satt: Mit romantisch verklärtem, aber wirkungsvollem Blick fängt der Regisseur die dörfliche Idylle ein, begleitet seinen kämpferischen Protagonisten, spiegelt Lebensfreude und Familienglück, Natur und Folklore. Ein Braunfilter pinselt die Leinwand in behagliches Zeitkolorit, während Ennio Morricones allgegenwärtige Musik in romantischen Streicherwogen von der Leinwand tropft. Dass das nie kitschig ist, ist bereits eine Leistung. Bei aller optischer Opulenz bleibt derweil die Geschichte etwas auf der Strecke: Das Schicksal dreier Generationen, die politische Karriere des brotlosen Helden, Konflikte mit der nachfolgenden Generation und selbst die Liebesgeschichte zwischen Peppino und Mannina – Tornatore will alles erzählen, doch das ist selbst für 150 Minuten zu viel. Der inszenatorischen Wucht fehlt insgesamt der dramaturgische Unterbau, zu viele Charaktere bleiben Randfiguren, die meisten Konflikte nur angedeutet.
„Baarìa“ ist eine pompöse italienische Familiengeschichte, die mit optischer Brillanz zu Recht die Leinwand sucht, der aber der erzählerische Fokus fehlt. Dass das Epos trotz Überlänge nicht langweilig wird, ist nicht zuletzt dem insgesamt schelmischen Erzählstil des Regisseurs zu verdanken, mit dem er Famiglia, Spaghetti und Mafia verknüpft – oder auch Reminiszenzen ans Kino selbst. Schicksalshaft findet Peppino über die Jahre immer wieder den Weg zurück in den Kinosaal, der ebenso zum Platz staatlicher Kontrolle als auch zum Ort der Inspiration erwächst. Liebevoll eingefangene Verweise wie diese fließen zuhauf in den Film ein und spiegeln wie bereits in „Cinema Paradiso“ die Liebe des Regisseurs zu seinem Medium.
(Carla Schmidt)
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