Der Hauptmann
Deutschland, Frankreich, Polen 2018, Laufzeit: 119 Min., FSK 16
Regie: Robert Schwentke
Darsteller: Max Hubacher, Milan Peschel, Frederick Lau, Alexander Fehling, Waldemar Kobus, Samuel Finzi
>> www.derhauptmann-film.de
Erschütternde Kriegschronik
Von Macht und Menschen
„Der Hauptmann“ von Robert Schwentke
So oft im deutschen Kino das Dritte Reich aufgearbeitet und wenn dafür die Perspektive der Täter, nicht die der Opfer gewählt wird, führt das zu Kontroversen – die allerdings die Auseinandersetzung mit dem Thema wach halten und somit die Erinnerung. So war es zum Beispiel 2004 bei Oliver Hirschbiegels Ensembledrama „Der Untergang“ über Hitlers letzteTage, das bei Medien und Publikum Diskussionen auslöste. Nun beobachtet Robert Schwentkes erster historischer Film „Der Hauptmann“ eine Gruppe Soldaten bei Machtspielen, fatalen Befehlsketten und unmenschlichen Verbrechen. Auch er dürfte das Publikum spalten. Obwohl Schwentke („Die Frau des Zeitreisenden“) eins ganz sicher nicht erzeugen will: Nähe zu den Hauptfiguren.
Nach wahren Ereignissen erzählt „Der Hauptmann“ von dem, was ein moralisches Vakuum aus Menschen machen kann, gerade aus jenen, die in ihrer Hierarchie das bisher schwächste Glied waren. April 1945, zwei Wochen vor Kriegsende: Der 19-jährige Gefreite Willi Herold (Max Hubacher) rennt um sein Leben, gejagt von einem Auto voller johlender Soldaten. Knapp entkommen, schlägt er sich eine Weile mit Diebstahl durchs Land. Als Herold halb verhungert in einem verlassenen Armeewagen eine Offiziersuniform findet, streift er sie über, gerade als der versprengte Gefreite Freytag (Milan Peschel) auftaucht. Notgedrungen spielt Herold den Hauptmann. So überzeugend, dass nicht nur Freytag sich ihm auf der Stelle unterstellt, sondern später auch andere Deserteure (u.a. Frederick Lau). Herold kommt auf den Geschmack, ernennt sich zum Anführer der „Kampftruppe Herold“ und zieht marodierend durchs Land. Als die Gruppe in einem Gefangenenlager unter dem Kommando eines überforderten SA-Manns (Bernd Hölscher) ankommt, ist Herold längst im Blutrausch. Und einer muss ja hier mal für Ordnung sorgen.
Die Worte„für Ordnung sorgen“ fallen hier oft. Immer dann, wenn Grausamkeit, teutonische Bürokratie und die Endzeitstimmung des verlorenen Krieges in einen Akt der Barbarei münden. Dass all das historisch ist, macht es nur schlimmer; dazu kommen die kalten, wie aus der Landschaft gestochenen Schwarzweißbilder von Kameramann Florian Ballhaus. Insbesondere eine endlose, von Herold befohlene Massenerschießungsszene im Lager ist nichts für schwache Nerven. Oder die vier Häftlinge, die Herold zusammengebunden weglaufen lässt, um ihnen dann nacheinander in den Rücken zu schießen, während die noch Lebenden die Toten mitschleifen. „Der Hauptmann“ ist Konfrontationskino, das Fassungslosigkeit hinterlässt. Es stellt die Mitläufer, die sogenannten kleinen Täter ins Bild und vermag zumindest teilweise zu erklären, wie es so viele von ihnen geben konnte. „Wir hoffen und stellen uns alle vor, dass wir moralisch aufrecht und mutig genug gewesen wären, uns dem System entgegenzustellen“, sagt Schwentke dazu. „Die Geschichte und Fakten widersprechen dem.“
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