Die geliebten Schwestern
Deutschland, Österreich, Schweiz 2014, Laufzeit: 139 Min., FSK 6
Regie: Dominik Graf
Darsteller: Florian Stetter, Henriette Confurius, Hannah Herzsprung
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Beseeltes Liebesdrama
Was gilt die Liebe bei einem Künstler?
„Die geliebten Schwestern“ von Dominik Graf
Im Jahre 1787 lernt der damals 28-jährige Friedrich Schiller die Schwestern Charlotte von Lengefeld und Caroline von Beulwitz kennen. Er verliebt sich in beide Frauen gleichermaßen, und die sind Schiller ähnlich zugeneigt. Regisseur Dominik Graf wurde von seiner Produzentin Uschi Reich auf diese wahre Dreiecksgeschichte gestoßen. Eine auf Tatsachen beruhende Menage zu dritt, bei der jeder der Beteiligten für die anderen beiden nur das Beste will. Wie geht das? Geht das gut? Ging das gut? Das Drama erzählt von dem eigenwilligen Beziehungsgeflecht, das Schiller (1759-1805) in seiner zweiten Lebenshälfte begleitete. Detailliertere Überlieferungen zu der Dreier-Konstellation und deren Höhen und Tiefen gibt es nicht. Caroline, die später nach erneuter Heirat unter dem Namen Caroline von Wolzogen literarisch wirkte, hatte sich nach Schillers Tod bemüht, alle Spuren zu verwischen und fast alle Dokumente, die auf die geschwisterliche Liaison verwiesen, vernichtet. Dies gestattet Dominik Graf, innerhalb der tatsächlichen Ereignisse dramaturgisch Hand anzulegen. Der Regisseur dichtet den drei Beteiligten einen regen Briefwechsel an. Das geschriebene Wort, frei heraus oder codiert, geschrieben oder vorgetragen, rahmt dieses aufregend beseelte Drama.
Männliche Maitresse
Im Jahr 1787 unterhält Friedrich Schiller (Florian Stetter) seit nunmehr drei Jahren eine leidenschaftliche Affäre zu der verheirateten Charlotte von Kalb. Wegen ihr zieht er schließlich nach Weimar. Eben dorthin hat es auch die junge Charlotte (Henriette Confurius) verschlagen, die am Hofe ihrer Patentante in Sitte und Etikette geschult werden soll. Ihr Vater ist tot, das Vermögen der Familie darbt dahin, Charlottes ältere Schwester Caroline (Hannah Herzsprung) wurde aus der materiellen Not heraus bereits mit dem vermögenden Freiherrn von Beulewitz verheiratet. Charlotte ist schon bald einigermaßen angeödet von dem höfischen Umgang, bis eines Tages Schiller vorm Fenster steht und sie nach dem Weg fragt. Es folgt ein zögerlicher Briefwechsel, schon bald ist Caroline involviert. Und dann wächst sie heran, die Leidenschaft, die beide Schwestern, seit der Jugend durch einen Schwur tief miteinander verbunden, schwesterlich teilen. Da Caroline schon verheiratet ist, gelten Schillers offizielle Avancen Charlotte. Die Mutter aber zeigt sich wenig erfreut über den bis dahin noch wenig erfolgreichen Verfechter der Aufklärung und künftigen Vertreter der Weimarer Klassik. „Was gilt die Liebe bei einem Künstler, einer männlichen Maitresse?“, fragt sie sich vielmehr, die Mutter Louise (Claudia Messner). Doch die Zuneigung der Liebenden bleibt bestehen. Und als Schillers kreativem Potenzial endlich finanzielle Zuwendung zugestanden wird, hält dieser um Charlottes Hand an.
Regisseur Dominik Graf („Die Sieger“, „Der Rote Kakadu“, „Der Felsen“) hat sich in den letzten Jahren rar gemacht auf der großen Leinwand, blieb aber umtriebig und arbeitete erfolgreich fürs Fernsehen („Im Angesicht des Verbrechens“). „Die geliebten Schwestern“ nun sind wieder kinoreif. Sein Ansatz mag Assoziationen wachrufen an Philipp Stölzl, der im Jahre 2010 Schillers Zeitgenossen Johann Wolfgang von Goethe einen Spielfilm über dessen Schaffens- und Liebesleben („Goethe!“) widmete. Eine gefällige, romantische Komödie mit Ausrufezeichen im Titel, die unseren bekanntesten Dichter einem jungen Publikum nahbringen wollte, damit aber wenig Wahrhaftiges hinterließ. Graf zeigt sich ungleich reifer, bewahrt aber die Leichtigkeit. Sein Erfahrungsschatz wirkt nie routiniert.
Weder „Goethe!“ noch Sissi
Grafs Film ist authentisch ausgestattet, aber kein Kostümfilm. Grafs Schiller ist weder „Goethe!“ noch Sissi noch verkopftes Kammerspiel. Die Story greift, die Hauptdarsteller sind brillant besetzt. Sanft, traurig, sinnlich, frei folgt der Regisseur und Drehbuchautor seiner Geschichte, setzt mit Kameramann Michael Wiesweg inszenatorisch inspirierte Pausen und vollzieht nebenbei in hübschen Aufnahmen die bedeutungsvolle Entwicklung des Buchdrucks nach. Das Drama nimmt sich Zeit. Zeit für die innere Reise und für die Stationen, die die Protagonisten räumlich beschreiten. Graf hatte den Film auf die tatsächlichen 140 Minuten veranschlagt. Zugleich montierte er noch eine dreißig Minuten längere Festival-Fassung. Dabei wirkt die Kinoversion nie gerafft, bleibt intensiv und stellt laut Graf weniger einen Kompromiss dar „als vielmehr einem Rhythmus-Wechsel“. „Die geliebten Schwestern“ ist ein Drama über die Worte der Liebe, und es ist ein Drama über die Liebe. Keiner der drei Protagonisten erlebt die Liebe gleich. Bei der einen Geliebten erlebt man Weisheit, bei der anderen Glut. Liebe spiegelt Sehnsucht, Verlangen, Verzicht. Und Abschied. Und damit schließen wir mit Friedrich Schiller daselbst: „Das süßeste Glück für die trauernde Brust, nach der schönen Liebe verschwundener Lust, sind der Liebe Schmerzen und Klagen.“ Och Mann.
Bayerischer Filmpreis 2014, Beste Kamera, Michael Wiesweg
(Hartmut Ernst)
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