Foxtrot
Frankreich, Israel, Deutschland, Schweiz 2017, Laufzeit: 113 Min., FSK 12
Regie: Samuel Maoz
Darsteller: Lior Ashkenazi, Sarah Adler, Yonaton Shiray
>> foxtrot-derfilm.de
Blick auf Israels Gesellschaft in kraftvoller Bildsprache
Sühne und Schuld
„Foxtrot“ von Samuel Maoz
Israels Kulturministerin Miri Regev forderte anlässlich des Films, keine Fördermittel mehr an Produktionen, die „Lügen über die Soldaten“ verbreiten, zu vergeben. Daraufhin wurde sie von der Filmakademie von der Verleihung des nationalen Filmpreises ausgeladen... Man muss sich erstmal durch den politischen Skandal wühlen, den „Foxtrot“ ausgelöst hat, um zum eigentlichen Inhalt des Films zu gelangen. Wie bereits in Samuel Maoz‘ letztem Film „Lebanon“ geht es in „Foxtrot“ um Krieg und die israelische Armee. Das hat wie auf Knopfdruck den Skandal ausgelöst. Aber in „Foxtrot“ geht es um mehr. Der Film ist auch ein Familiendrama und vor allem ein Blick auf die gesamte israelische Gesellschaft – in der Gegenwart und der Vergangenheit.
Als Abgesandte der Armee bei dem Ehepaar Feldmann klingeln, weiß Dafna sofort, warum sie gekommen sind und bricht zusammen, noch bevor sie etwas sagen können. Erst ihr Mann Michael erfährt von den Soldaten, dass der gemeinsame Sohn Jonathan an einem Sicherheitsposten umgekommen ist. Pragmatisch klären sie ihn auf, wie es nun weitergeht: dass gleich ein Kollege kommt, um die militärische Trauerfeier zu besprechen, dass sie für das Elternpaar weitere Angehörige informieren könnten, dass Michael stündlich ein Glas Wasser trinken soll, um den ersten Schock zu verwinden. Ein Soldat stellt ihm deswegen extra den Timer im Handy ein. Was folgt, ist eine filmische Übersetzung des Schocks, der Trauer, der Wut, wie man sie in dieser Intensität im Kino nicht allzu häufig zu sehen bekommt. Michael, mit eindrucksvoller Präsenz von Lior Ashkenazi verkörpert, ist mal versteinert, mal rasend vor Wut. Die Kamera schleicht um ihn herum, hockt verschreckt in einer Ecke oder flüchtet sich unter die Zimmerdecke, um aus der Vogelperspektive dieses menschliche Drama einzufangen. Dabei verlässt sie in diesem Kammerspiel nicht den Raum. Nur einmal gleitet ihr Blick auf einen Vogelschwarm, der wie ein böses Omen über dem Haus kreist. Dies ist das erste von drei Kapiteln, die in ihrer Gesamtheit einer griechischen Tragödie gleichen. Das zweite Kapitel, das an Jonathans Checkpoint angesiedelt ist, lässt mit seiner surrealen Ödnis auch den Kameramann und Szenenbildner in Samuel Maoz erkennen. Das dritte und letzte Kapitel des Films ist wieder in der Wohnung der Eltern angesiedelt.
Samuel Maoz wirft in seinen Filmen einen ungewöhnlichen Blick auf den Krieg. Der 1962 in Tel Aviv geborene Regisseur und Drehbuchautor hat Ende der 1980er Jahre an der Kunsthochschule Beit Tzvi seinen Abschluss als Kameramann gemacht und fortan auch als Szenenbildner gearbeitet – realisierte Dokumentarfilme, Serien und Theaterinszenierungen. Erst mit 47 Jahren hat Maoz sein Spielfilmdebüt fertiggestellt: „Lebanon“ erhielt auf den 66. Filmfestspielen in Venedig den Goldenen Löwen. Ein Jahr nach Ari Folmans „Waltz with Bashir“ hatte auch er endlich einen Weg gefunden, seine Erlebnisse aus dem Libanonkrieg von 1982 in einem Film zu verarbeiten. Entstanden ist ein klaustrophobisches Werk, das ausschließlich in einem Panzer spielt – ein Kammerspiel, das intensiv den Schrecken, die Willkür und Absurdität des Krieges vermittelt. Acht Jahre sind nach dem gefeierten Debüt „Lebanon“ vergangen, bis Maoz mit „Foxtrot“ auf die große Leinwand zurückkehrt. Und wieder gewinnt er in Venedig einen Silbernen Löwen, wieder feiert ihn die Kritik. Doch im eigenen Land polarisiert der Film weitaus mehr als sein Vorgänger. Und das, obwohl er viel weiter vom Krieg entfernt ist als „Lebanon“. Das liegt sicher daran, dass der Film in der Gegenwart spielt. Es liegt aber vielleicht auch daran, dass Maoz mit seinem Film einen Blick in die Befindlichkeit einer Gesellschaft freigibt, die gezeichnet ist vom Trauma eines jahrzehntelangen latenten Kriegszustands. Samuel Maoz entfaltet vor dem Auge des Zuschauers eine Ahnenreihe, die von Jonathan über dessen Vater Michael bis hin zu dessen Mutter und damit bis zur Shoah reicht. Es ist ein Kreis aus Schmerz und Schuld, für den Samuel Maoz faszinierende Bilder findet, und trotz allem auch ein Fünkchen Humor übrig hat.
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