Die Dinosaurier, die Eiszeit, die Rückkehr des Lebens, das 17. Jahrhundert, das 18. Jahrhundert, ein Haus. All die Geschehnisse bezeugt die Kamera in Robert Zemeckis' besonderem Drama „Here“ aus einer einzigen, starren Perspektive. Wie eine Wildkamera über einen Zeitraum von 65 Millionen Jahren. Ein Blick auf einen Ort durch die Zeit. 1907 dann wird ein Haus gebaut und die Kamera steht fortan im Wohnzimmer. 1945 schließlich kaufen Al (Paul Bettany) und Rose (Kelly Reilly) das Gebäude. Ihr erster Sohn Richard heiratet zwanzig Jahre später Margaret (Tom Hanks, Robin Wright – beide dank digitalem Make-up überzeugend verjüngt). Irgendwann leben drei Generationen unter einem Dach und Margaret will nur noch eins: Endlich raus hier! Das Drama begleitet in der Folge vornehmlich Richards Familie durch die kommenden Jahrzehnte. Es erzählt von den Sorgen der Kriegsgeneration, von der Aufbruchsstimmung der Nachkriegsgeborenen, von Familie und Freiheit, von etablierten Geschlechterrollen und emanzipatorischer Rebellion, von unerfüllten Träumen und falschen Entscheidungen. Formbedingt sprunghaft – und dennoch berührend. Das große Kino hier aber entspringt dem gestalterischen Konzept: Robert Zemeckis („Zurück in die Zukunft“, „Forrest Gump“) adaptiert die gleichnamige Graphic Novel des New York Times-Illustrators Richard McGuire aus dem Jahr 2014. McGuire nimmt darin zeichnerisch eine einzige Perspektive ein, die er durch die Zeiten hinweg unterschiedlich füllt. Bilder, in denen sich darüber hinaus Bildausschnitte aus verschiedenen Zeiten munter überlappen und miteinander korrelieren. Auch Zemecki arbeitet mit bisher so nicht gesehenen Splitscreen-Elementen. Es ist faszinierend, wie eine Kamera, die ihrer bewährten Möglichkeiten von Zoom bis Schwenk beraubt ist, im Korsett trotzdem bzw. erst recht zu bannen vermag – nicht zuletzt dank klugem Schnitt und Bild im Bild. Der Zuschauer gerät derweil ins Grübeln und Philosophieren über die Bedeutsamkeit des Moments, des Ortes, des Lebens – und seine Flüchtigkeit. Darüber, dass jeder Ort historisch ist. Darüber, wie die Erde wohl auf uns Menschen blickt und wie wir Menschen Orte füllen.
Im Auftrag des Vatikans prüft der nicht praktizierende Priester Filippo (der Italiener Michele Riondino in seiner ersten ausländischen Produktion) Meldungen von Wundern. Er ist auf dem Weg in ein kleines Dorf in der Nähe von Limburg in den Niederlanden. Dort soll eine Marienstatue Tränen vergossen haben. An Wunder glaubt Filippo nicht. Er glaubt sowieso kaum noch an etwas, auch nicht an Gott. Höchstens an die Wissenschaft, mit deren Methoden er die Vorkommnisse überprüft und meistens der Lüge überführt. In dem kleinen Dorf wird er mit einer ständig wachsenden Schar an Gläubigen konfrontiert, die in das Haus der 19-jährigen Térèse (die deutsche Emma Bading) wollen, um ihrer Marienstatue zu huldigen. Dass der Wille zum Glauben in den stark säkularen Niederlanden hier so groß ist, liegt an einer vier Jahre zurückliegenden Tragödie. Bei einem Schulmassaker sind zahlreiche Kinder ermordet worden, darunter auch der jüngere Brüder von Térèse. In den Priester und Prüfer legen die Dorfbewohner zunächst ihre Hoffnung und reagieren schnell mit Ablehnung bis hin zu körperlicher Gewalt, als sie merken, dass er kaum bereit ist, die Statue zu segnen und den Vorfall als Wunder anzuerkennen. Nur Térèse, die seit dem Amoklauf nicht mehr spricht, sieht in Filippo mehr – und auch er ist von ihr und ihrer Empathie fasziniert. Die ruhige, traurige Grundstimmung von „Der Mann aus Rom“ erinnert an „Das süße Jenseits“ von Atom Egoyan aus dem Jahr 1997, der ebenfalls in einer traumatisierten Dorfgemeinschaft spielt. Statt des eisigen Winters bei Egoyan ist es bei van Heusden ein heißer Sommer, durch den sich sein Protagonist Filippo bewegen muss. Das Zusammenspiel vor allem von Emma Bading als Thérèse und Michele Riondino als Filippo ist beeindruckend.
Ann, Anfang 30, lebt ihr Leben zwischen langweiliger Büroarbeit, übergriffiger Familie und ihren Sex-Affären als devoter Part in Sado-Maso-Beziehungen. Leider selten zu ihrer Zufriedenheit, und meist sehr passiv. „Für gewöhnlich warte ich, was der andere bestellt, um dann nicht neidisch zu sein“, erzählt sie einem ihrer Dates an der Bar. Ihr Gegenüber findet, dass das eine recht komplizierte Art der Lebensgestaltung ist und hat damit nicht Unrecht. Joanna Arnow, verantwortlich für Drehbuch, Regie und Schnitt und auch die Hauptdarstellerin (ihr Vater spielt Anns Vater) ihres zweiten Langfilms „Dieses Gefühl, dass die Zeit, etwas zu tun, vorbei ist“ zehn Jahre nach dem autobiografischen Dokumentarfilm „i hate myself :)“ setzt brutal selbstentblößend und ausdruckslos Szene an Szene, dialogarm, tragikomisch, mitunter auch nur tragisch, bis eines Tages...
Außerdem neu in den Ruhr-Kinos: das Selbstfindungsdrama „Black Dog – Weggefährten“ von Guan Hu, die Trash-Farce „Die geschützten Männer“ von Irene von Alberti, der Thriller „Rich Flu“ von Galder Gaztelu-Urrutia, das Mittelerde-Anime „Der Herr der Ringe: Die Schlacht der Rohirrim“ von Kenji Kamiyama, die Broadway-Adaption „Wicked“ von Jon M. Chu und das Marvel-Abenteuer „Kraven the Hunter“ von J.C. Chandor.
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