Trotz schrecklicher Verbrechen wie in Hanau und Halle sowie den Morden des NSU hält sich die Vorstellung eines post-rassistischen Deutschlands in Teilen der deutschen Gesellschaft, die selbst nicht von Rassismus betroffen sind. Dies liegt vielleicht auch gerade daran, dass der historische Blick auf die deutsche Erinnerungskultur in Bezug auf die NS-Zeit das Thema eher in die Vergangenheit verlagert. Die Erfahrungen marginalisierter Menschen als wichtigen Teil unserer gemeinsamen Geschichte zu erinnern ist jedoch eine Aufgabe, die nicht beim Holocaust aufhört, wie das Werk der amerikanischen Historikerin Tiffany Florvil beweist, die am 27. Mai im Black Pigeon in Dortmund liest.
May Ayim, Katharina Oguntoye, Jasmin Eding, Eva von Pirch. Diese Namen dürften den meisten kein Begriff sein. Dabei handelt es sich bei ihnen um Schlüsselfiguren in einem selten behandelten Abschnitt deutscher Nachkriegsgeschichte: der Schwarzen Bewegung. Diesem Thema hat Florvil ihre erste Monografie gewidmet. „Black Germany.Schwarz, deutsch, feministisch – die Geschichte einer Bewegung“ setzt in den 1980ern an und beschreibt die Entwicklung des organisiertem Schwarzen Aktivismus in Deutschland von der Gründung der ersten Graswurzelbewegungen wie der Initiative Schwarzer Menschen (ISD) und ADEFRA e.V. bis hin zu den aktuellen Protestbewegungen wie Black Lives Matter (BLM).
Flovril ist dieses Thema gerade auch deswegen ein Anliegen, weil es die antirassistische Arbeit von Aktivist:innen heute in eine Tradition einbettet, die in den 80ern mit dem Einfluss afroamerikanischer Feministinnen beginnt und dabei nie ihren transnationalen Ansatz verliert. Diese Kontextualisierung erlaubt es, sich als Teil einer weltweiten Gemeinschaft zu verstehen, in der die eigene Identität fassbarer gemacht werden kann. Der Aufforderung, über das eigene Schwarzsein zu sprechen und zu schreiben, kamen Frauen wie Ayim und Oguntoye nach: Sie lernten sich in den Vorlesungen von Audre Lorde Mitte der 80er Jahre kennen und publizierten danach gemeinsam. Aus der Feder der beiden stammen mitunter maßgebliche Teile von „Farbe bekennen“ – einem Standardwerk der Afrodeutschen Bewegung. Umso wichtiger scheint es, dass dieses Projekt des Austauschs auch heute noch Räume findet.
Die Anarchistische Gruppe Dortmund, das Feministische Kollektiv Dortmund und weitere laden daher im Black Pigeon nicht „nur“ zur Lesung von Florvil ein: Im Anschluss an die Veranstaltung ist es explizit gewünscht, sich zu vernetzen und auszutauschen. So können sowohl das Buch, als auch die Veranstaltung selbst gerade eines darstellen: einen Anlass zur Auseinandersetzung mit den Menschen und Perspektiven der deutschen Geschichte, denen oft nicht der Platz eingeräumt wird, der ihnen gebührt.
Tiffany Florvil: Black Germany.Schwarz, deutsch, feministisch – die Geschichte einer Bewegung | Sa 27.5. 15 Uhr | Black Pigeon Dortmund | black-pigeon.org
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