Ein Ausflug ins „Bad Moers“ lohnt sich – auch für KassenpatientInnen. Es ist der Name des fiktiven Kurorts, in den das alte neue Rathaus in Moers eigens für Ulrich Grebs Inszenierung mit einer unglaublichen Detailliebe verwandelt wurde. Ibsens 1883 uraufgeführtes Stück wird so mühelos in die Jetztzeit übersetzt und bekommt durch den eigentümlichen Flair des verwaisten 1970er Jahre-Kastens, der gleich an mehreren Orten bespielt wird, einen ganz eigenen aktuellen Beigeschmack. In Bad Moers wird Wohlbefinden großgeschrieben. Hier ist der Mensch gesund, hier darf er sein, dank der heilenden Wirkung des örtlichen Quellwassers. Das teure Nass belebt aber nicht nur müde Leiber, sondern auch die Finanzlage der ehemals notorisch unterfinanzierten Kleinstadt. Alles könnte so schön sein, doch da spuckt der Badearzt Dr. Stockmann, der das Bad einst mitbegründet hat, dem Kurortmärchen in die Suppe. Er hat wissenschaftliche Beweise dafür, dass das Heilwasser in Wahrheit eine giftige Brühe ist, verseucht von Industrieabwässern und hochgradig gesundheitsschädigend. Diese Wahrheit will der elitäre Idealist unters Volk bringen – koste es, was es wolle. Auch die Lokalpresse sieht sich zunächst zu dieser Wahrheit verpflichtet.
Die städtischen Honoratioren, allen voran sein Bruder, der Bürgermeister, sehen den Willen zur Wahrheit allerdings ganz anders. Ein Umbau der Anlage würde Millionen kosten. Und überhaupt, waren die denn nicht vielleicht schon vorher krank? So dreht sich dann auch das Fähnlein Presse im Wind der Intrigen und verkündet neue Wahrheiten. Der Volksheld, mit der öffentlichen Mehrheitsmeinung im Rücken, wird zum Volksfeind, ebenfalls mit der Stimme des Volkes im Rücken. Die Lenkbarkeit der öffentlichen Meinung wird klug durch einen Wutbürgerinnen-Chor veranschaulicht, der buchstäblich alles nachblökt, was ihm vorgesagt wird. Auch das Haifischbecken Kommunalpolitik kommt sehr plastisch daher: Ein ferngesteuerter Hai schwebt gleich zweimal durchs Geschehen. Ähnlich surrealistisch muten auch die Kostüme an, denn mit den übergroßen Händen wirken die SchauspielerInnen wie lebende Comicfiguren. Der Konflikt zwischen Wahrheit und Macht erträgt eben keine komplexen Grautöne, zumindest nicht in dieser gelungenen Inszenierung.
„Ein Volksfeind“ I 6. 2., 19.30 I Altes Neues Rathaus Moers I 02841 883 41 10
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