Am 6. Mai 2010 sank der Dow Jones um satte 10 Prozent, weil ein Investmentfonds eine Transaktion von Terminkontrakten ungewöhnlich schnell abwickelte. Im eigentlichen Wonnemonat wurde binnen Minuten ein Börsenwert von gut 800 Milliarden Dollar vernichtet. Schuld waren computergestützte Transaktionssysteme, die ohne Not und natürlich Verstand falsch reagierten. 800 Milliarden Dollar sind kein Pappenstiel, aber vielleicht auch kein gerechtes Geld, gerecht im Sinne von: ein Recht auf Geld haben. Genau diese Definition ist der Antrieb des Börsengurus CJ im Theaterstück des amerikanischen Autors Michael Yates Crowley, selbst am Times Square an der Börse tätig.
Und dieser CJ glaubt an sein Recht auf alles Geld der Welt. Es ist der Sinn seines Lebens, es ist der Parameter, dem er absolut alles unterordnet, und er lässt sein Publikum im kleinen Moerser Schlosstheater auch nicht eine Minute an seinen Absichten zweifeln: „Wir wollen euch das Geld wegnehmen“. Dabei bezeichnet er sich nicht einmal als schlechter Mensch. Matthias Hesse spielt den aalglatten Bisexuellen, der in seiner Prunkhütte schon mal nackt mit seinem Gespielen im Schein des brennenden Wohlstandes tanzt, als drittklassigen TV Moderator, der penetrant sein Buch anpreist und sich dabei eigentlich um Kopf und Kragen redet. Der Preis ist heiß und Geld eben kein Spielzeug, und so muss in Ulrich Grebs deutscher Erstaufführungs-Inszenierung Patrick Dollas als stummer Aufnahmeleiter und Lustknabe „Sandra“ ein bisschen leiden. Diese eigentlich nie anwesende Figur hat er personalisiert, denn „Gerechtes Geld“ war ursprünglich eine One Man-Show. Der junge Anglist und Astrophysiker Michael Yates Crowley hat es als einen szenischen Monolog geschrieben, den er selbst auf der Bühne spielt, zur Premiere sogar in Moers, nicht als Kontrast, sondern eher als Vergleich, als Hommage an die Erstaufführung. Schon sein erster preisgekrönter Erfolg „The Ted Haggard Monologues“, hier geht es um die amerikanische Doppelmoral in Bezug auf homosexuelle Menschen, war eine One Man-Performance, die Crowley aus einer Lesung entwickelt hat und inzwischen verfilmt wird. Auch die stand bereits im Schlosstheater auf dem Spielplan. Intendant Greb thematisiert folgerichtig die Finanzkrise in einer Stadt, in der unsinnigerweise erst monatelang um das kleine, aber sehr feine Theater gekämpft werden musste. Für „Gerechtes Geld“ nutzt er als Bühnenbild nur die übliche Scheinwelt eines Fernsehstudios. Ein Schreibtisch, ein Computer, ein Telefon und die Live-Kamera mit Hintergrundleinwand reichen aus, um die eigentliche Ödnis dieser Menschenverdummung zu zeigen. Um einer Anzeige bei der Börsenaufsicht zu entgehen, wird hier auch schon mal gemordet. Gott hat mit Geld eben sehr wenig zu tun.
Und da ist CJ auch schon wieder dabei, geschäftig sein Buch anzupreisen, seinen Aufnahmeleiter zu quälen und den Zuschauern zum Wohlstand zu verhelfen. Jeder ist eben gescheitert, bis er Erfolg hat. Dabei wird er in seiner Sendung ständig unterbrochen vom ehemaligen Assistenten Nathan, einem Dichter, der über Obst schreibt und gestrauchelt ist auf dem Weg zum Geld, der es aber schaffte, den ungehemmten Menschenverachter zum Weinen zu bringen, und für den dieser ein Nest aus Geld bauen wollte. Matthias Hesse stehen die Schweißperlen auf der Stirn, als er sich für die Rezession entschuldigt, für die Aktienmanipulationen, und im gleichen Atemzug schneidend „Du kannst meine Schuldgefühle haben, mein Geld kriegst du nicht“ formuliert – und die Motorsäge auspackt. Es folgt eine durchgeknallte, blutige Splatterszene hinter dem umgestürzten Schreibtisch. Danach ist CJ ausgebrannt, ein Häuflein Elend, das zum ersten Mal Güte und Großzügigkeit gefühlt hat. Zum ersten Mal ein stiller Moment in der Inszenierung. Doch das brutale System funktioniert weiter. Eben noch gemeuchelt steigt die Leiche im feinen Zwirn hinter dem Tisch hervor, setzt die TV-Show fort und preist das nächste Heilsbringerbuch an. Crowley kennt das Grauen genau, über das er schreibt.
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