Eine graue Sozialwohnungsbau-Pappwand auf der Bühne. Ein Lichtermeer aus modischen Grubenlämpchen im Publikum. Die Handlung beginnt ganz oben auf den Scheinwerfer-Traversen mit richtig Getöse. Hier soll ja Bergbau gespielt werden, die Geschichte von Kumpel Katlewski (Jörg Malchow), der da noch scheinbar besinnungslos im Stollen liegt. Weil er unter Tage quer durchs Ruhrgebiet marschiert ist. Caroline Stolz hat für das Essener Grillo Adolf Winkelmanns Film „Jede Menge Kohle“ adaptiert, auf 75 Minuten gestaucht und mit einer Unmenge Regieeinfällen so richtig auf Ruhrgebiet getrimmt. Auch wenn Altmeister Winkelmann freudig nach der Premiere seinen Beifall abholte, die Zuschauer viel gelacht haben, so ganz ohne Magenschmerzen konnte man das Theater nicht verlassen. Zu grell war die Persiflage auf ein immer noch vorhandenes Lebensgefühl. Denn eigentlich war Katlewski einmal einer von uns. Ein Chaot, der Outlaw für Freiheit, und wie man sie sich erarbeitet. Den eine sehr einfache, aber konsequente Sicht auf die Dinge trieb. Die schwarze Komödie kam im Film durch die Hintertür, die bunte platzt in Essen aus allen Nähten, geizt nicht mit Gesangseinlagen und Slapstick-Oldtimern. Es kommt der Tag, da will die Säge sägen, bei Caroline Stolz und ihrer Dramaturgin Carola Hannusch hackt sie eher Sperrholz auseinander. Das finale Dröhnen der Kette in eine neue Zukunft für den anarchischen Bergmann bleibt irgendwie aus; wer den Film nie sah, bei dem müssten sich endlose Fragen stellen.
Als Unterhaltungsstunde plus akademischem Viertel ist die Inszenierung natürlich geeignet. Sie geht in Essen zwar in direkte Konfrontation zum Theater Freudenhaus, das seit Jahren im soziokulturellen Zentrum Ruhrgebietskomödien produziert, aber könnte natürlich für das finanziell gebeutelte Grillo zu einem Publikumsrenner werden. Sehr gelungen ist die ausgesprochen schnelle Choreografie in dieser Inszenierung, gekonnt die Nutzung der Häuserpappwand. Auch Langeweile kommt nie auf, denn alle Schauspieler hangeln sich bewusst durchs kohlenschwarze Comedy-Milieu –, und musizieren können sie auch. Schade, dass der reine Spaß manchmal seine Tücken haben kann.
Licht in der Finsternis
„Brems:::Kraft“ in Köln und Mülheim a.d. Ruhr – Theater Ruhr 01/25
Brautkleid aus reinster Haut
„Subcutis“ in Mülheim a. d. Ruhr und Köln – Theater Ruhr 01/24
Trance durch Kunst
Die Reihe Rausch 2 in Mülheim a.d. Ruhr – Theater Ruhr 11/23
Brecht im Discounter
„Der gute Mensch von Sezuan“ am Grillo-Theater in Essen – Theater Ruhr 10/23
Bretter der Kulturindustrie
„Das Kapital: Das Musical“ im Schauspiel Dortmund – Theater Ruhr 10/23
Siehst du, das ist das Leben
„Der erste fiese Typ“ in Bochum – Theater Ruhr 06/23
Der gefährliche Riss in der Psyche
„Die tonight, live forever oder das Prinzip Nosferatu“ am Theater Dortmund – Theater Ruhr 04/22
Unberührbare Souveränität
Frank Wedekinds „Lulu“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 03/20
Totenmesse fürs Malochertum
„After Work“ in den Bochumer Kammerspielen – Theater Ruhr 02/20
Gespenstisches Raunen
Die Performance „Geister“ am Schauspielhaus Bochum – Theater Ruhr 02/20
Drei wilde C´s im Schnee
„After Midnight“ im Essener Grillo – Theater Ruhr 02/20
Von Büchern überschüttet
„Sokrates der Überlebende / Wie die Blätter“ in Mülheim – Theater Ruhr 02/20
Tragödie mit Diskokugel
Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“ in Oberhausen – Theater Ruhr 01/20
Ein hochemotionaler Spiegel
Khaled Hasseinis „Drachenläufer“ in Castrop-Rauxel – Theater Ruhr 01/20
Donna Quichotta der Best Ager
„Linda“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 01/20
Spiegelei, Toast und Tier
„Das Reich der Tiere“ am Theater Dortmund – Theater Ruhr 12/19
Heute geht es auch ohne Brandbeschleuniger
„Biedermann und die Brandstifter“ in Essen – Theater Ruhr 11/19
Desinfiziert und doch tot
„Die Pest“ in Moers – Theater Ruhr 11/19
Wenn Datenberge erodiert sind
„Identität“ in Dortmund – Theater Ruhr 11/19
Biografisches Sightseeing
Babett Grube inszeniert „Alles ist wahr“ in Oberhausen – Theater Ruhr 11/19
Amouröse Programmierung
„Ein Sommernachtstraum“ am Theater Oberhausen – Theater Ruhr 07/19
Mit Drogen locker durchs Leben
Huxleys „Schöne neue Welt“ in Bochum – Theater Ruhr 07/19
Aufm Arbeitsamt wird gesabbert
„Willems wilde Welt“ von theater glassbooth – Theater Ruhr 07/19
Morden als Maloche
Harold Pinters „Der Stumme Diener“ in Essen – Theater Ruhr 06/19
Schaut wie die Kirschbäume fallen
„Der Kirschgarten“ in Essen – Theater Ruhr 06/19