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Konfrontation eines alten Mannes mit französischen Soldaten vor dem Hauptbahnhof in Essen, 1923
© Haus der Essener Geschichte/Stadtarchiv [02.0137]

Mit französischem Blick

11. April 2023

„Hände weg vom Ruhrgebiet!“ im Essener Ruhr Museum – Kunstwandel 04/23

Als Kind kam ich mit meiner Großmutter auf dem Nachhauseweg aus der Stadt immer an der Bochumer Christuskirche am Rathaus vorbei, hinter dessen Tor eine ziemlich groteskeHeldengedenkhalle zu sehen war und als Liste die damaligen Feindstaaten Deutschlands. Meine Oma (Jg. 1900) erzählte damals auch von der Besetzung des Ruhrgebiets durch die Franzosen. Die seien überhaupt nicht nett gewesen und wohl auch immer ziemlich aufdringlich. Mit ihren zahlreichen Geschichten aus der „Steinzeit“ im alt gewordenen Gedächtnis ging es nun in die Ausstellung„Hände weg vom Ruhrgebiet!“ im Essener Ruhr Museum auf Zollverein. Dort sind 200 Exponate zu sehen, welche die Zeit zwischen 1923 und 1925 dokumentieren und schlaglichtartig beleuchten.

Das erste, was hinter der Eingangstür zu sehen ist, sind ein Foto von einem Soldaten auf einem Kohlenberg im Eisenbahnwaggon und ein originales Hotchkiss-Maschinengewehr in einer Glasvitrine. Damit sind im Grunde genommen die beiden Pole der Besetzung angerissen – Deutschland hatte den 1. Weltkrieg verloren, kapituliert aber zahlte seine Reparationen nicht. Französische und belgische Truppen besetzten das Ruhrgebiet und transportierten Kohle und Industriegüter ab, denn deutsche Hurra-Patrioten hatten die Gruben und Industriegebiete dort zerstört. Aber das wollte natürlich niemand wissen und so wehrte sich das Revier, fast stellvertretend für die Weimarer Republik gegen die gewaltsame Okkupation. Bildmaterial, Flugblätter, ja selbst kurze Filmmitschnitte und Originaldokumente aus Belgien und Frankreich belegen diese zwei Jahre.

Auf der anderen Seite mediale Heldenverehrung von Protagonisten wie Albert Leo Schlageter, der als vermeintlicher Saboteur 1923 hingerichtet wurde und von dessen Denkmälern bis heute noch Reste bestehen. Papiergeld und ein Bahn-Fahrplan von 16. Juli 1923 machen weitere Ankerpunkte und Folgen des passiven Widerstands deutlich, der auch von Rechtsnationalen in der jungen Republik instrumentalisiert wurde und deren Schlagwörter von Dolchstoß und Schandfrieden bis heute in den Köpfen mancher Revisionisten noch immer herumgeistert. Der großartige Rundgang durch die Wahrheit in der Geschichte kulminiert für mich auch in der Brettspiel- Vitrine, wo das „Das Ruhrspiel“ von 1923 ausgestellt ist. Auch ein 100 jähriges Jubiläum!

Hände weg vom Ruhrgebiet! | bis 27.8. | Ruhr Museum | 0201 246 81 444

Peter Ortmann

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