Hinterm Gartenzaun leben tatsächlich auch noch Menschen, und die können einem das Leben zur Hölle machen. Nichts ist in der deutschen Provinz zwischen Doppelhaushälften und Reihenhauswäldern schlimmer als das innere Gefüge der Kleingrundbesitzer.
Regisseurin Thirza Bruncken und Ausstatter Robert Ebeling haben für die „Aufzeichnungen aus einer Doppelhaushälfte“ ihre Schauspieler ins klassizistische Gemälde „Der Morgen“ von Karl Friedrich Schinkel transferiert, glücklicherweise nicht ins romantische Waldstück mit röhrendem Hirschen. Schon 2006 lieferte Bruncken in Dortmund mit Goethes „Faust“ einen städtischen Skandal. Ihre Interpretation des Klassikers wurde damals kontrovers diskutiert. Jetzt der Problemfall Gartenbau. Die Bäumchen könnten irgendwann groß werden – und deshalb steht es schon jetzt zu nah am Zaun. „Das muss doch bei vernünftigen Leuten wie uns beiden, meine ich möglich sein, darüber nicht in Streit zu geraten.“ Schließlich gibt es Gesetze. Gesetze „um uns gegenseitig zu schützen voreinander, richtig“. Eine Frau überlegt, ob sie sich erst waschen oder erst Frau Merkel schreiben soll. Von ihren Nöten, welche die Kanzlerin doch verstehen muss, „weil eine Frau isses, das steht fest, oder?“.
Autorin Anna Behringer, die lieber unerkannt bleiben will, wirft in ihrem Stück Schlaglichter in Privathaushalte, zeigt Menschen im Kampf gegen Banalitäten des Alltäglichen. Die Protagonisten sind getrieben, wirr im Handeln, gefangen in ihren Problemen und Verantwortlichkeiten und gleichzeitig gemeinsam einsam. Lakonisch und mit feinem Humor erzählt Behringer von der Sehnsucht nach Autonomie und einer Fluchtmöglichkeit, die vielleicht in der Kunst liegen könnte – und von der Erkenntnis, dass ein Leben ohne den anderen keines mehr ist.
Licht in der Finsternis
„Brems:::Kraft“ in Köln und Mülheim a.d. Ruhr – Theater Ruhr 01/25
Brautkleid aus reinster Haut
„Subcutis“ in Mülheim a. d. Ruhr und Köln – Theater Ruhr 01/24
Trance durch Kunst
Die Reihe Rausch 2 in Mülheim a.d. Ruhr – Theater Ruhr 11/23
Brecht im Discounter
„Der gute Mensch von Sezuan“ am Grillo-Theater in Essen – Theater Ruhr 10/23
Bretter der Kulturindustrie
„Das Kapital: Das Musical“ im Schauspiel Dortmund – Theater Ruhr 10/23
Siehst du, das ist das Leben
„Der erste fiese Typ“ in Bochum – Theater Ruhr 06/23
Der gefährliche Riss in der Psyche
„Die tonight, live forever oder das Prinzip Nosferatu“ am Theater Dortmund – Theater Ruhr 04/22
Unberührbare Souveränität
Frank Wedekinds „Lulu“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 03/20
Totenmesse fürs Malochertum
„After Work“ in den Bochumer Kammerspielen – Theater Ruhr 02/20
Gespenstisches Raunen
Die Performance „Geister“ am Schauspielhaus Bochum – Theater Ruhr 02/20
Drei wilde C´s im Schnee
„After Midnight“ im Essener Grillo – Theater Ruhr 02/20
Von Büchern überschüttet
„Sokrates der Überlebende / Wie die Blätter“ in Mülheim – Theater Ruhr 02/20
Tragödie mit Diskokugel
Horváths „Glaube Liebe Hoffnung“ in Oberhausen – Theater Ruhr 01/20
Ein hochemotionaler Spiegel
Khaled Hasseinis „Drachenläufer“ in Castrop-Rauxel – Theater Ruhr 01/20
Donna Quichotta der Best Ager
„Linda“ am Düsseldorfer Schauspielhaus – Theater Ruhr 01/20
Spiegelei, Toast und Tier
„Das Reich der Tiere“ am Theater Dortmund – Theater Ruhr 12/19
Heute geht es auch ohne Brandbeschleuniger
„Biedermann und die Brandstifter“ in Essen – Theater Ruhr 11/19
Desinfiziert und doch tot
„Die Pest“ in Moers – Theater Ruhr 11/19
Wenn Datenberge erodiert sind
„Identität“ in Dortmund – Theater Ruhr 11/19
Biografisches Sightseeing
Babett Grube inszeniert „Alles ist wahr“ in Oberhausen – Theater Ruhr 11/19
Amouröse Programmierung
„Ein Sommernachtstraum“ am Theater Oberhausen – Theater Ruhr 07/19
Mit Drogen locker durchs Leben
Huxleys „Schöne neue Welt“ in Bochum – Theater Ruhr 07/19
Aufm Arbeitsamt wird gesabbert
„Willems wilde Welt“ von theater glassbooth – Theater Ruhr 07/19
Morden als Maloche
Harold Pinters „Der Stumme Diener“ in Essen – Theater Ruhr 06/19
Schaut wie die Kirschbäume fallen
„Der Kirschgarten“ in Essen – Theater Ruhr 06/19